Als "Homo Faber der deutschen Politik" charakterisiert der Politologe Torben Lütjen den Ökonom Karl Schiller. Der SPD-Politiker war überzeugt, durch qualifizierte Politikberatung könne der Staat im Prinzip jede Wirtschaftskrise meistern. Das Stabilitätsgesetz von 1967 trägt seine Handschrift. Mit Hilfe so genannter "Globalsteuerung" soll der Staat die schwächelnde Wirtschaft durch Investitionen ankurbeln oder, im Falle der überhitzten Konjunktur 1970, durch "Konjunkturzuschläge" auf die Steuer Einkommen abschöpfen.
Lütjens kritische Biografie ist gut geschrieben und zeichnet das Lebensbild eines hochintelligenten, aber auch eitlen Aufsteigers aus einfachen Verhältnissen, der seine Mitgliedschaft in der NSDAP niemals aufarbeitete. Als unnahbarer "Genosse Professor" pflegte er das Image der politischen Diva. Als "Superminister" für Wirtschaft und Finanzen in Willy Brandts sozialliberaler Koalition trat er 1972 schon nach 14 Monaten zurück, weil er "die Rolle des schlechten Gewissens der Nation und unbequemen Stabilitätsapostels" (Lütjen) zu spielen nicht mehr bereit war.
Karl Schiller (1911-1994).
"Superminister" Willy Brandts.
J.H.W. Dietz Verlag,
Bonn 2007;
403 S., 34 ¤