Biologische Vielfalt
Sie garantiert die Anpassung von Ökosystemen an Klimaveränderungen
Die biologische Vielfalt faszinierte die Menschheit immer schon - nicht erst, seitdem sie stark gefährdet und ein konsequenter Schutz notwendig ist. Namhafte Wissenschaftler wie Carl von Linné, Charles Darwin, Ernst Haeckel und Alexander von Humboldt erforschten die globale Artenfülle, die heute auch als Biodiversität bezeichnet wird, und die Prozesse der Evolution, die solch eine Vielfalt hervorbringen. In indigenen und lokalen Gemeinschaften wird seit jeher das Wissen um die biologische Vielfalt, wie beispielsweise um traditionelle Pflanzen und (Heil-) Kräuter, gepflegt und an nachfolgende Generationen weitergetragen.
Der regionale und weltweite Rückgang der Arten ist keinesfalls auf die vergangenen Jahrzehnte beschränkt, doch das Ausmaß steigt offenkundig an. Hauptgründe für den Rückgang sind die Übernutzung der natürlichen Ressourcen, wie zum Beispiel durch Fischerei und Entwaldung, der steigende Energiebedarf sowie die wachsende Intensität der Flächennutzung, die Lebensräume verkleinert und zerstört. Hinzu kommt der Klimawandel, der Temperatur- und Niederschlagsmuster und somit auch Ökosysteme verändert. Pflanzen- und Tierarten, die sich nicht schnell genug an die veränderten Lebensbedingungen anpassen können, sind hierdurch vom Aussterben bedroht.
Biodiversität steht ganz allgemein für die Vielfalt des Lebens. Heutzutage wird der Begriff verwendet, um die Vielfalt an Arten und Lebensräumen sowie die genetische Vielfalt innerhalb der einzelnen Tier- und Pflanzenarten zu beschreiben. Der Begriff "Biodiversität" wurde 1986 auf einem Symposium der "National Academy of Science" in den USA geprägt. Schnell fand er Eingang in natur- und umweltschutzpolitische Foren. Spätestens seit dem Umweltgipfel der Vereinten Nationen von Rio de Janeiro 1992 ist allgemein bekannt, dass die Biodiversität in nahezu allen Lebensräumen der Erde zunehmend zerstört wird. Mit der UN-Konvention über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD) wurde in Rio ein globales politisches Programm zur Erhaltung der Biodiversität geschaffen. Sie verknüpft die drei Ziele Schutz, Nutzung und gerechter Vorteilsausgleich und ist damit wegweisend für das Verständnis der Thematik in der politischen Diskussion.
Wie reagieren Ökosysteme, wenn die biologische Vielfalt abnimmt? Werden hierdurch die Effekte des Klimawandels verstärkt, der auch Lebensräume stark verändert?
Die biologische Vielfalt und das Funktionieren von Ökosystemen sind eng miteinander verbunden. Zahlreiche empirische Befunde zeigen, dass einige Arten Schlüsselfunktionen besetzen, während andere für den Transport von Stoffen und Energie innerhalb der Ökosysteme weniger wichtig sind.
Der Verlust einer Art in einem Ökosystem bedeutet für das gesamte Netzwerk Veränderung und Umbau, eventuell auch den Verlust einer weiteren Art. Im Durchschnitt steht jede einzelne Art mit etwa drei bis fünf anderen Arten in Wechselbeziehung - entweder als Räuber oder als Beute. Es gibt dabei einen strengen Zusammenhang zwischen Produktivität beziehungsweise Stabilität und Artenreichtum. Artenarme Ökosysteme zeichnen sich häufig dadurch aus, dass verschiedene Stoffwechselprozesse nur von einer oder von wenigen Arten ausgeführt werden können. Artenreichere Ökosysteme sind dagegen meist in der Lage, den Verlust einer Art zumindest zum größten Teil dadurch auszugleichen, dass Stoff- und Energieflüsse von ökologisch ähnlichen Arten übernommen werden können.
Der Verlust an biologischer Vielfalt beeinflusst und verändert die Ökosysteme - und somit auch die Gesellschaft, in der die Sorge vor unabsehbaren Folgen wie Naturkatastrophen und Krankheiten wächst. Zu befürchten ist, dass der beschleunigte Rückgang der Artenvielfalt die Stabilität und Funktionsfähigkeit von Ökosystemen und somit deren Nutzung herabsetzen wird. Große Sorge gilt an dieser Stelle erst einmal den artenarmen Systemen, wie beispielsweise Salzseen oder der vom Menschen geschaffenen Kulturlandschaft. Wenn diese Ökosysteme in Entwicklungsländern oder anderen armen Regionen liegen, werden die Folgen besonders gravierend sein, da dort die Existenz der Menschen direkt von den Umweltbedingungen abhängt und eine schnelle gesellschaftliche Anpassung nicht möglich ist.
Auch besteht die Gefahr, dass der Verlust der genetischen Vielfalt unter den Kulturpflanzen und Haustierrassen zu einem gravierenden Qualitätsverlust bei den Nahrungsmitteln führen wird. Nicht nur die Vielfalt in unserer Ernährung wird sich somit verringern, auch auf vielfältige Wirkstoffe wird die Gesellschaft verzichten müssen, die bislang insbesondere für Naturheilmittel verwendet werden. Schmerzlich ist auch die Vorstellung, dass durch den Rückgang der Artenvielfalt Werte und traditionelles Wissen verloren gehen.
Dem Schutz der Biodiversität galt bisher geringere mediale Aufmerksamkeit als dem Klimaschutz - und das obwohl Klima und Biodiversität eng miteinander verbunden sind. Ökosysteme im Klimawandel werden sich stark verändern müssen. Eine Anpassung ist möglich, allerdings hängt diese von der biologischen Vielfalt ab, insbesondere auch vom genetischen Potenzial, das im System vorhanden ist und eine Weiterentwicklung möglich macht. Ohne Vielfalt wird die Funktion der Ökosysteme und damit auch der "Dienstleistungen", die sie erbringen, wie die Bereitstellung von Wasser, Holz und Nahrung, gefährdet sein - weil Arten, die an das jetzige Klima angepasst sind, verschwinden werden und durch andere Arten ersetzt werden müssen. Wenn Landschaft und Lebensräume weiter verkleinert und vereinheitlicht werden, nimmt das Potenzial zur Anpassung radikal ab, etwa aufgrund einer schlechteren Verfügbarkeit von Wasser in Dürrephasen. Auch wird der Austausch von Nutzpflanzen zur Anpassung an veränderte klimatische Bedingungen erschwert, wenn nur ein verkleinerter genetischer Pool verfügbar ist. Vor diesem Hintergrund muss in der Diskussion um die Produktion von Biokraftstoffen sorgfältig abgewogen werden, inwieweit der hierdurch verursachte Verlust an biologischer Vielfalt wesentliche Potenziale zum Schutz vor Klimafolgen schwächt.
Im Mai 2008 findet in Bonn die 9. Vertragsstaatenkonferenz zur UN-Konvention über die biologische Vielfalt statt. Die Weltgemeinschaft wird unter deutschem Vorsitz über Maßnahmen gegen die anhaltende Naturzerstörung beraten. Der rapide Verlust an biologischer Vielfalt soll bis zum Jahr 2010 wenigsten gebremst werden. Dieses Ziel wurde von den Staats- und Regierungschefs beim Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung 2002 in Johannesburg vorgegeben. Die Bundesregierung hat am 7. November 2007 die nationale Strategie zur biologischen Vielfalt beschlossen. Damit will Deutschland die Biodiversitätskonvention auf nationaler Ebene umsetzen - dies löst allerdings noch nicht die Probleme. In der Wissenschaft besteht die einhellige Auffassung, dass unser Wissen über die Verbreitung und Gefährdung zahlreicher Organismengruppen äußerst lückenhaft ist. Hinzu kommt, dass die Zahl geschulter Expertinnen und Experten in den letzten Jahren in Deutschland rapide abgenommen hat und damit Wissen um die Vielfalt verloren ging. Für den Schutz der Biodiversität und des Klimas ist es jedoch elementar, dass die Faszination der Menschheit für die Vielfalt bestehen bleibt und damit ein gesellschaftliches Bewusstsein geschaffen wird für den Wert unseres Lebensraums, unserer Erde.