VON CLAUDIA HEINE
Eine Besonderheit dieser Themenausgabe liegt im speziellen Charakter ihrer "Besetzung". Nicht Merkel, Steinmeier und Co. spielen darin die Hauptrollen, sondern Höckerflohkrebse, Bartgeier, die Goldkröte Bufo periglenes, die Diadem-Amazone, die Beifuß-Ambrosie oder der Östliche Flachlandgorilla. Das klingt amüsant, und eine nicht untypische Reaktion vieler Menschen wäre sicher die Frage: "Was interessiert mich eine Goldkröte, die in den Nebelwäldern Costa Ricas lebt?" Genau hier liegt das Problem: Denn die Schwierigkeiten dieser putzigen Tierchen sind nicht amüsant und betreffen uns mehr als uns bisher bewusst ist.
Diskutiert werden diese Zusammenhänge unter dem Begriff "Biodiversität", was die Vermittlung nicht leicht macht. Biologische Vielfalt klingt da schon eingängiger und wird deshalb gleichbedeutend verwendet. Ziel der Themenausgabe ist es, ein Bewusstsein für die Gefährdung der biologischen Vielfalt auf unserem Planeten zu wecken. Das setzt Information voraus: Warum kann ein Ökosystem aus dem Gleichgewicht geraten, wenn eine Tier- oder Pflanzenart verschwindet, eine andere dafür dominant wird? Welche Wirkungen hat dies wiederum auf andere Ökosysteme, auch wenn sie tausende Kilometer entfernt liegen? Und vor allem: Was sind die Ursachen dafür, dass weltweit Lebensräume von Pflanzen und Tieren zunehmend zerstört werden?
Diese Fragen bewegen sich nicht im abstrakten Raum. Sie lassen sich mit Zahlen und Statistiken beantworten, die Rote Liste der vom Aussterben bedrohten Arten ist eine davon. Aus ihr geht hervor, dass seit 2004 die Zahl bedrohter Arten um 44 Prozent gestiegen ist. Unter anderem gehört auch der Flachlandgorilla in Afrika dazu, dessen Lebensräume durch kriegerische Konflikte zerstört werden. Von den 17.000 in den 1990er-Jahren in freier Wildbahn lebenden Tieren leben heute noch 5.000.
Die jährliche Entwaldungsrate beträgt weltweit 13 Millionen Hektar. Sie werden für Weideflächen und den Anbau von Futtermitteln benötigt, denn mit den Menschen müssen auch Milliarden Schweine, Rinder und Hühner ernährt werden. Das klingt, als wären der Schutz der Natur und die Sicherung der Ernährung der Menschen ein Gegensatzpaar. Warum sie genau das nicht sind, auch das erfährt man in dieser Ausgabe.
Aber man muss nicht bis nach Afrika oder Südamerika schauen. Südeuropa leidet seit Jahren unter extremen Dürreperioden, die die Vegetation verändern - und damit die Lebensgrundlagen der Menschen dort. Bestimmte Weinsorten finden nun auch in Nordeuropa gute Bedingungen vor, weil es dort wärmer wird. Wein aus Norwegen, warum nicht? Doch interessant wird es erst bei den damit verbundenen Kettenreaktionen.
Wandel der biologischen Vielfalt bedeutet nicht nur Verschwinden. Plötzlich wandern neue Arten nach Deutschland ein. Und manche Tiere werden auch erfolgreich wieder angesiedelt, zum Beispiel der Wolf. Vor ihm müssen wir aber keine Angst haben.