Lebensmittel
Die weltweit wachsende Nachfrage belastet Verbraucher mit teils massiv steigenden Preisen. Die Konsumenten sollten keine allzu großen Hoffnungen in die Politik stecken
Bummel in Supermärkten sind seit Monaten nicht unbedingt ein Grund zur Freude. Die Preise für Nudeln haben sich zuweilen glatt verdoppelt, Butter war zeitweise um 50 Prozent teurer als im Vorjahr. Erheblich mehr hinzublättern ist für Milch, Käse, Quark, Eier, Margarine, Öl, Säfte, Limonaden, Obst, Blumenkohl. Auch Backwaren kosten einiges mehr. Den Frust der Konsumenten spüren Verbrauchereinrichtungen, bei denen sich massenhaft verärgerte Bürger melden, berichtet Jutta Jaksche vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Entwarnung ist nicht abzusehen. Wie Jaksche prognostizieren auch Fachpolitiker im Bundestag wie Julia Klöckner (CDU/CSU), Gustav Herzog (SPD) oder Hans-Michael Goldmann (FDP) weiter steigende Preise.
Für die Inflationsrate von beinahe drei Prozent sind neben Energiekosten vor allem Preissprünge bei Lebensmitteln mit fast acht Prozent im Jahresvergleich verantwortlich. Noch gar nicht voll weitergegeben sind die zu Jahresbeginn teils massiv gestiegenen Großhandelspreise: bei Getreide, Saaten und Futtermitteln um mehr als 50 Prozent, bei Milch, Eiern und Speiseölen um 25 Prozent. Weltweit ist Weizen so teuer wie noch nie: An der Börse in Chicago kostete ein Scheffel (27 Kilogramm) während einer Spekulationsblase vorübergehend schon mal mehr als acht Euro.
Die böse Überraschung für Fans von Pasta und Speiseeis wurzelt im Zusammenfall vieler Faktoren. Das Entscheidende: Mit der global wachsenden Nachfrage nach "Qualitätsprodukten" (Goldmann) hält das Angebot nicht Schritt. Herzog: "Früher gab es ein großes Angebot, das steht heute in Teilbereichen auf der Kippe." Jedes Jahr nimmt die Zahl der Erdenbürger um die der Einwohner der Bundesrepublik zu. Besonders in Schwellenländern wie China, Indien, Brasilien oder Indonesien erhöht sich die Kaufkraft, ebenso in Osteuropa. Klöckner: "Auch in Neu Delhi oder Rio de Janeiro wollen die Leute ihren Macchiato trinken."
Andererseits sind weltweit die Lagerbestände von Weizen oder Mais so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr, die berühmten Butterberge und Milchseen der EU sind passé. Goldmann und Herzog verweisen darauf, dass es in den vergangenen Jahren wegen Dürre und anderer Wetterkapriolen mehrere größere Missernten gab, etwa im Mittelmeerraum als einem Lieferanten für Obst und Gemüse oder in Australien. Der SPD-Politiker Herzog: "Die Natur reguliert die Preise stärker als die Politik." Umstritten ist, ob sich in schlechten Ernten bereits die Erderwärmung spiegelt. Klöckner meint, der Klimawandel könne sich für die Landwirtschaft in manchen Weltregionen positiv, in anderen Gegenden negativ auswirken. Jaksche macht darauf aufmerksam, dass Bodenerosion Agrarflächen zurückdrängt, so in den USA, China und Afrika. Äcker und Weiden verschwinden auch wegen der fortschreitenden Bodenversiegelung für Industrie, Straßen und Siedlungen. Laut Jaksche sind es in Deutschland jährlich 130 Hektar.
Preisschübe für Lebensmittel wurzeln überdies in der Verdrängung von Agrarland durch den forcierten Anbau von Energiepflanzen vor allem für Biosprit. In den USA, Südostasien und Südamerika wird dies in großem Stil praktiziert, auch in Europa dehnen sich solche Mais- und Rapskulturen aus. Für Herzog ist die Bioenergie bislang noch ein "Randfaktor". Anders sieht dies Jaksche: "Aufgrund des Wettbewerbs um Agrarflächen wirkt sich der Ausbau der Energiepflanzenproduktion schon heute spürbar auf die Verknappung des Lebensmittelangebots und damit auf die Preise aus."
Nun machen bei Backwaren Rohstoffkosten nur vier Prozent des Endpreises aus, die zuweilen freilich um zehn oder mehr Prozent klettern. Klöckner: "Wir müssen den Wettbewerb stützen und Monopolbildungen wie Preisabsprachen unterbinden, da ist auch das Kartellamt gefordert." Das EU-Parlament hat die Brüsseler Kommission aufgefordert, die Konzentration auf dem Sektor der Supermärkte kritisch zu untersuchen.
Die Konsumenten sollten jedoch keine allzu großen Hoffnungen in die Politik setzen. "Die kann nicht viel machen", so Goldmann. Von April an dürfen die EU-Bauern zwar zwei Prozent mehr Milch abliefern. Ob deshalb Verbraucherpreise sinken, muss sich aber erst erweisen. Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel hat eher Chancen für EU-Landwirte auf dem boomenden Weltmarkt im Blick. Jaksche und Goldmann plädieren dafür, Subventionsanreize für Energiepflanzen zurückzufahren. Klöckner mahnt, über Flächenversiegelung kritisch nachzudenken. Soll die Gentechnik einen Beitrag zur Steigerung des Nahrungsmittelangebots leisten? Klöckner äußert sich differenziert: "Die grüne Gentechnik ist kein Allheilmittel. Dieses Konzept kann etwa in Dürregebieten helfen. Die Gentechnik sollte vor allem bei Energiepflanzen eingesetzt werden." Ein striktes Nein formuliert Jaksche: "Die grüne Gentechnik ist keine Lösung, sondern schafft Probleme. So gefährdet sie ökologische Standards in der Landwirtschaft."
Für manchen ist der Ärger der Verbraucher auch übertrieben. Die Preise würden sich auf dem Niveau wie vor 15 bis 20 Jahren bewegen, sagt Herzog, zwischenzeitlich seien sie durch EU-Subventionen künstlich niedrig gehalten worden. Für Erzeuger seien die Milchpreise lange Zeit zu knapp bemessen gewesen, meint Goldmann. Klöckner: "Die Deutschen sind Weltmeister beim Geldausgeben für Kücheneinrichtungen, wenden aber nur elf Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel auf."