KINDERKOMMISSION
Parlamentarisches Gremium für die Rechte der Kleinen feiert 20. Geburtstag
Einen Plüschadler als Maskottchen - das hat nicht jedes Gremium im Bundestag. Genauer gesagt gibt es nur eines: die Kinderkommission, kurz Kiko. Wer meint, eine Gruppe Parlamentarier, die sich ein Stofftier als Erkennungszeichen gibt, sei nicht ernst zu nehmen, hat weit gefehlt: Die Kiko hat bei zahlreichen Projekten erfolgreich mitgemischt. Die freiwillige Selbstverpflichtung der Textilindustrie, Kinderkleidung sicherer zu machen und die Aufnahme des Rechtes von Kindern auf eine gewaltfreie Erziehung in das Bürgerliche Gesetzbuch sind zwei solcher Beispiele. Am 23. April feiert die Kiko ihren 20. Geburtstag - und hofft auf ein künftig noch größeres Mitspracherecht.
"Die Einrichtung der Kommission hat fast ein Jahr gebraucht", erinnert sich Gründungsmitglied Herbert Werner (CDU). Die Idee sei von außen gekommen, er zum Beispiel sei in seinem Wahlkreis nach einem Ansprechpartner für Kinder auf Bundesebene gefragt worden. Zunächst habe es die Idee eines Ombudsmanns für Kinderbelange gegeben.
Die Idee der Kommission habe sich jedoch durchgesetzt, weil hier jede Partei ein Mitspracherecht habe. Der damalige Bundestagspräsident Philipp Jenninger (CDU) plädierte außerdem gegen einen Ombudsmann, weil er eine Plattform für Kinder als Anliegen des Parlaments betrachtete. Zunächst habe es Vorbehalte bei Teilen aller Parteien gegeben, sagt Werner. "Es bestand die Angst, dass eine Einmischung in die Familie via Parlament das Elternrecht einschränkt." Mitte 1988 war es dann jedoch soweit: der Ältestenrat des Bundestages beschloss die Einsetzung der Kommission. Damit war die Kinderkommission des Deutschen Bundestages nach eigener Aussage das weltweit erste Parlamentsgremium, das speziell den Auftrag zur Verbesserung der Situation von Kindern erhalten hatte.
Die Stellung des Gremiums, in das jede Fraktion einen Vertreter entsendet, sei zu Beginn nicht eindeutig gewesen, so Werner. "Man hatte am Anfang den Eindruck, die Kiko wird als Alibiveranstaltung angesehen", betont der Mann der ersten Stunde. Doch in der folgenden Wahlperiode seien sich die Fraktionen einig gewesen, die Kinderkommission wieder einzuberufen. An die ersten Vorhaben kann er sich noch gut erinnern, etwa die Regelung des Besuchsrechts für Kinder bei der Scheidung der Eltern oder die Novellierung des Jugendhilferechtes.
"So eine kleine Kommission kann ganz viel bewegen", sagt die Sozialdemokratin Marlene Rupprecht, die seit 1998 in der Kommision vertreten ist. Als Beispiel nennt sie die so genannten Bullenfänger, Frontschutzbügel am Geländewagen. Seit Mitte 1997 ging die Kommission Hinweisen nach, dass die Bügel bei Zusammenstößen eine Gefahr besonders für Kinder darstellen. 2006 trat dann eine EU-Regel in Kraft, nach der der Frontschutz weicher gestaltet werden muss, um die Sicherheit der Fußgänger zu erhöhen. Doch es sind nicht nur die politischen Erfolge, die Rupprecht im Gedächtnis bleiben. "Der erste Kindertag 2001 im Bundestag war ein echtes Erlebnis", schwärmt sie. Bis zu diesem Zeitpunkt habe es nur Führungen für Jugendliche von 14 Jahren an gegeben. Die Kinderkommission habe sich dafür eingesetzt, dass schon Grundschüler das Zentrum der Politik zu sehen bekommen. "Als ich sie fragte, ob sie wissen, wo sie sind, konnten sie immerhin sagen, 'hier wird geregelt, dass man andere nicht hauen darf'." Die Kleinen seien manchmal besser vorbereitet als Erwachsene, so Rupprecht. Das von anderen Parlamentariern befürchtete Chaos durch die vielen kleinen Kinder im Hohen Haus sei ausgeblieben, die Veranstaltung werde vier Mal im Jahr vom Besucherdienst des Bundestages angeboten. Im Gegenteil seien die meisten sehr interessiert und stellten Fragen. Auch in diesem Alter sollten Kinder schon an Politik herangeführt werden, um ihr Interesse für spätere Zeiten zu wecken, meint Rupprecht.
Das prominenteste derzeitige Projekt der Kiko ist ihre Forderung, Kinderrechte in das Grundgesetz aufzunehmen. "Die Verfassung setzt Werte. Die Frage ist, ob diese Gesellschaft so weit ist, dass sie Kinderrechte explizit festschreibt", sagt Rupprecht. Ihre Kollegin Miriam Gruß (FDP) sieht die Chancen, die Forderung durchzusetzen, aufgrund der Großen Koalition als "so gut wie noch nie" an. Die Union hat sich allerdings bereits im Oktober 2007 in einem Grundsatzbeschluss gegen das Projekt ausgesprochen. CDU und CSU wenden sich darin generell gegen die Aufnahme neuer Staatsziele in die Verfassung.
Ein Manko hat die Kinderkommission jedoch. Sie darf zwar Stellung beziehen, aber keine Gesetzesentwürfe in den Bundestag einbringen, wie Gruß und ihre Kolleginnen beklagen. "Die Kiko müsste das Initiativrecht bekommen", sagt auch Paula Honkanen-Schoberth, Geschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes. Die Kommission rücke auf jeden Fall die Belange von Kindern stärker in das Bewusstsein der Parlamentarier. Sie helfe der Arbeit des Kinderschutzbundes. "Aber nach 20 Jahren sollte ihr das Recht eingeräumt werden, Anträge und Gesetzesinitiativen einzubringen." Am 7. Mai wird Diana Golze (Die Linke) den Vorsitz turnusgemäß von Gruß übernehmen. Sie will sich unter anderem für eine stärkere Beteiligung von Kindern an politischen Prozessen einsetzen. Vielleicht erreicht die Kiko dabei ja auch eine stärkere Beteiligungsmöglichkeit für sich selbst.