HAMburg
Die erste schwarz-grüne Landesregierung steht - unter besonderer Beobachtung
Er ist 65 Seiten stark, seine Entstehung dauerte mehr als 100 Stunden - und er dürfte nicht nur in die Annalen der Hansestadt eingehen. Denn der Koalitionsvertrag, den Vertreter von CDU und Grün-Alternativer Liste (GAL) am 17. April im Hamburger Rathaus unterschrieben, hat historisches Gewicht. Erstmals kommt es auf Landesebene zu einer Kooperation zwischen den erbitterten politischen Gegnern von einst. Und das nach den harmonischsten Koalitionsgesprächen, die es in Hamburg seit langem gegeben hat. Auch wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) offiziell keine bundesweite Signalwirkung erkennen mochte, Berlin wird das schwarz-grüne Projekt mit Argusaugen beobachten.
Es waren denn auch goldene Worte, mit denen Bürgermeister Ole von Beust (CDU), CDU-Landeschef und Finanzsenator Michael Freytag sowie die GAL-Landesvorsitzende Anja Hajduk und die GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch das neue Bündnis präsentierten. Allen voran der Stratege Beust, der mit der neuen Partnerschaft seiner Partei in Hamburg ein moderneres Profil geben und die jahrzehntelang regierende SPD weiter außen vor halten will, war voll des Lobes: "Ich nehme hervorragende persönliche und menschliche Erfahrungen aus den Verhandlungen mit", sagte er. Beide Seiten hätten das Papier im Bewusstsein erarbeitet, "einen neuen politisch Weg zu gehen". Dafür sei es nötig gewesen, sich von alten ideologischen Vorbehalten zu verabschieden und die Schützengräben der eigenen Argumentation zu verlassen.
Eine Hürde gibt es aber noch: Am 27. April stimmen die GAL-Mitglieder und einen Tag später der Landesausschuss der CDU über den Vertrag ab. Aber der Segen selbst der kritischen GAL-Basis gilt als ausgemacht. Denn die Unterhändler der bislang mit absoluter Mehrheit regierenden CDU sind in zentralen inhaltlichen Punkten weit auf die Grünen zugegangen. So kommt auf Wunsch der GAL die umstrittene sechsjährige Grundschule. Die Zukunft des von den Grünen ungeliebten Kohlekraftwerks Moorburg ist zumindest offen. Weiterer Verhandlungserfolg der Grünen: Die Studiengebühren werden von 500 Euro auf 375 Euro gesenkt und künftig erst nach Verlassen der Uni fällig. Die CDU zeigte indes bei der wirtschaftlich bedeutenden Elbvertiefung keine Verhandlungsbereitschaft. Und sie besetzt mit Finanzen, Wirtschaft, Kultur, Inneres, Wissenschaft und Soziales zentrale Ressorts.
Auffällig: Beust legt dabei mehr Wert als früher auf Parteimitgliedschaft. So muss überraschend der parteilose Innensenator Udo Nagel für seinen Staatsrat mit CDU-Ausweis, Christoph Ahlhaus, den Stuhl räumen. Beust hatte in Zeiten der absoluten Mehrheit Vorteile darin gesehen, Experten ohne Parteibuch in Amt und Würden zu bringen, um so auch in CDU-kritischen Teilen der Stadt Anklang zu finden. Dieses Argument fällt in der Koalition mit den Grünen weg. Die Grünen sicherten sich die Ressorts Justiz, Stadtentwicklung und Umwelt sowie Bildung.