Sachsen
Milbradt geht, Tillich kommt. In der Koalition muss er zunächst das Klima verbessern
Glaubt man der Namensforschung, kann der Neue ganz beruhigt sein: "Harter Slawe" bedeutet Stanislaw Tillichs Vorname - und Durchsetzungsvermögen wird der 49-Jährige brauchen, wenn er wie geplant am 28. Mai zum sächsischen Ministerpräsidenten gewählt wird und das Erbe von Georg Milbradt (beide CDU) antritt. Der hatte am 14. April seinen Rücktritt erklärt - offiziell, weil er einen "Generationenwechsel" einleiten wollte. Tatsächlich war er immer tiefer in die Krise der sächsischen Landesbank gerutscht. Als noch zweifelhafte Privatgeschäfte öffentlich wurden, war die Ära Milbradt nach sechs Jahren beendet.
Auf Tillich kommt nun einiges zu. Die CDU in Sachsen ist gespalten. Während Milbradt in den urbanen Bereichen gut verankert war und auf Unterstützung aus Dresden, Leipzig und Chemnitz hoffen konnte, trauert man im ländlichen Raum noch immer dem früheren Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf hinterher. Tillichs Vorteil ist, dass er mit beiden Seiten gut kann. Ohnehin gilt der studierte Ingenieur als weit umgänglicher als Milbradt, der andere oft vor den Kopf stieß. Kanzleramtsminister Thomas de Maizière sprach von einem "Befreiungsschlag" für seine sächsische CDU.
Doch Tillich muss auch über die eigene Partei hinaus die Wogen glätten. In der großen Koalition war jüngst das Misstrauen zwischen den Partnern erheblich angeschwollen. Der sächsische SPD-Fraktionschef Martin Dulig sagte, es habe "keine Gesprächsbereitschaft" unter den Koalitionären mehr gegeben. Von Tillich werde ein anderer Stil erwartet: "Die Mehrheitsverhältnisse in der Koalition spiegeln sich in der Sitzverteilung im Landtag und der Aufteilung der Ministerien. Im Umgang miteinander erwarte ich aber Augenhöhe."
Ohnehin wird den zerstrittenen Partnern nichts anderes übrig bleiben, als weiter zusammenzuarbeiten. Neuwahlen will niemand: Auch wenn die SPD, die 2004 auf 9,8 Prozent abgestürzt war, nach aktuellen Umfragen mit rund 16 Prozent der Stimmen rechnen könnte, läge sie damit immer noch deutlich hinter der Linkspartei. Gäbe es ein rot-rot-grünes Bündnis, wären die Sozialdemokraten erneut nur der kleine Partner. Die Union könnte sich zwar auf eine Minderheitsregierung einlassen, müsste aber damit rechnen, dass Gesetzesvorhaben mit den Stimmen der NPD verabschiedet würden.
"Ich denke, die Koalition wird loyal zu Tillich stehen", sagte der Dresdner Parteienforscher Werner Patzelt dieser Zeitung. "Die SPD wollte Milbradt demontieren, das ist gelungen. Und die Union will endlich aus ihrem Tief heraus und kann sich weitere Querelen nicht leisten."
Zudem hat Tillich einen nicht zu unterschätzenden Bonus: Er ist Sachse. 18 Jahre lang wurde der Freistaat von Politikern aus den alten Ländern regiert, jetzt finden viele, es sei Zeit, dass ein Einheimischer das Ruder übernimmt. Dass er neben Englisch auch Tschechisch und Polnisch spricht, ist in der Grenzregion ein großer Vorteil. Ebenso wie seine politische Erfahrung: Nach fünf Jahren im Europäischen Parlament ging Tillich 1999 nach Sachsen zurück, wo er in Kurt Biedenkopfs Kabinett berufen wurde. Seither leitete er als Minister mehrere Ressorts, zuletzt übernahm er im September 2007 das Finanzministerium.
Fest kann Stanislaw Tillich mit der Unterstützung einer Minderheit im Freistaat rechnen: Die Sorben sind hoch erfreut, dass der nächste Ministerpräsident aus ihren Reihen kommt. Sie setzen darauf, dass es Tillich gelingt, das längst überfällige Finanzierungsabkommen für die Minderheit auszuhandeln und, so der Chefredakteur der sorbischen Tageszeitung "Serbske Nowiny", Benedikt Dyrlich, die "Sprachlosigkeit" zwischen Bund, Ländern und Sorben zu beenden. Hohe Erwartungen an den "starken Slawen".