Im Jahr 1976 veröffentlichte Terrence Des Pres dieses Buch, das weltweit für Furore sorgte. Es sollte mehr als 30 Jahre dauern, bis dieses Standardwerk endlich ins Deutsche übersetzt wurde. Der amerikanische Holocaust-Experte verfolgte zwei Ziele: Erstens widmete er sich den Überlebenden und nicht den bisweilen verklärten Opfer. Zweitens offenbarte er die Struktur der sozialen Ordnung in einem Lagersystem.
Als empirische Grundlage dienten ihm vor allem Überlebensberichte aus den Konzentrationslagern. Des Pres zeigte, wer "im Extremen" überleben wollte, musste sich sowohl anpassen als auch Widerstand leisten. Handeln unter solchen Bedingungen geriet zur Gratwanderung: Wer eine Funktion übernahm, etwa in der Küche oder im Krankentrakt, stützte zwar das Lagersystem, konnte es andererseits aber auch durch die Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten schädigen. Dieses Buch ist gewissermaßen die analytische Schlussfolgerung der Haftschilderungen von Jean Améry, Eugen Kogon, Primo Levi und vielen anderen. Die Lektüre ist schwer zu ertragen, aber trotzdem lohnend.
Der Überlebende - Anatomie der Todeslager.
Klett-Cotta, Stuttgart 2008, 248 S., 22,50 ¤