DEBATTE
Mindestlohn oder Betreuungsgeld. Die Konzepte gegen Kinderarmut sind umstritten
Miriam Gruß sah in der Bundestagsdebatte zur Existenzsicherung von Kindern am 5. Juni ein gutes und ein schlechtes Zeichen zugleich. Das gute, so die Kinderexpertin der FDP, sei die Tatsache, dass über die Problematik an prominenter Stelle 90 Minuten lang diskutiert werde. Die schlechte Nachricht hingegen sei, dass über Kinderarmut überhaupt diskutiert werden müsse. "Reiches Deutschland - arme Kinder", so Gruß. Die Konzepte der Bundesregierung könnten nicht greifen, sagte die Liberale, da sie nur nach dem Motto "von der linken Tasche in die rechte Tasche" handele. Die FDP plädiere nach wie vor dafür, Steuern und Abgaben für Familien zu senken. Gruß: "Wir haben die Antworten auf die Kinderarmut in Deutschland!"
Die glaubt aber auch Johannes Singhammer zu kennen. Der Zuwachs von 1,6 Millionen Arbeitsplätzen seit 2005, so der CSU-Politiker, sei der beste Beitrag gegen Kinderarmut. Um die ökonomische Existenz der Familien zu sichern, habe die Koalition das Elterngeld aus der Taufe gehoben. Damit, so Singhammer, habe man einen "Turbo in der Familienförderung gezündet". Im kommenden Jahr werde auch noch das Kindergeld erhöht, versprach er. In Richtung Linksfraktion, deren Gesetzentwurf zur Änderung des Unterhaltsvorschusses ( 16/7889, 16/9440) abgelehnt wurde, sagte er: "Wir brauchen keine Familienpolitik der ungedeckten Schecks, sondern eine Familienpolitik wie sie Familienministerin Ursula von der Leyen macht." Die CDU-Ministerin ihrerseits verwies auf den "armutspräventiven" Charakter des Kindergeldes. Ihrer Ansicht nach müssten Kinderreiche und Alleinerziehenden dabei verstärkt bedacht werden.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast erinnerte daran, dass Rot-Grün zwei Mal das Kindergeld erhöht habe. "Und zwar gegen den Willen der Union", betonte sie. Das gestaffelte Kindergeld der jetzigen Bundesregierung sei hingegen keine Antwort - insbesondere nicht auf die Probleme Alleinerziehender. "Die erhalten nämlich Null Euro", so Künast, die hinter der Regelung eine "ideologische Prägung" vermutet. Wie auch der SPD-Abgeordnete Dieter Stein-ecke kritisierte Künast das geplante Betreuungsgeld für Eltern, die ihre ein- bis dreijährigen Kinder nicht in die Tagesbetreuung geben wollen. Das Geld gehe an die Falschen, so Künast. Nach Steineckes Ansicht führt das Betreuungsgeld gar zu einer "Katastrophe". Ein Blick nach Thüringen - wo die Regelung schon praktiziert werde und die Betreuungszahlen seitdem rückläufig seien - sollte reichen, um die Pläne zu verwerfen, sagte er. Steinecke merkte an, dass trotz Vollzeitarbeit bei einigen Eltern das Geld nicht reiche, um eine Familie zu versorgen. Daher führe kein Weg an einem gesetzlichen Mindestlohn vorbei. Für einen Mindestlohn sprach sich auch die Linken-Abgeordnete Elke Reinke aus. Der Kampf gegen die Kinderarmut sei auch der Kampf gegen materielle Armut, sagte sie.
Im Anschluss an die Debatte überwiesen die Abgeordneten Anträge der FDP ( 16/9433), die die Existenz von Kindern sichern und Familien stärken will sowie der Grünen ( 16/9028), die ein Programm gegen Kinderarmut fordern, zur weiteren Beratung in den Familienausschuss.