Im deutschen Sozialstaatsmodell führen Wirtschaftsunternehmen vielfältige gesellschaftliche Aktivitäten durch, die man als spezifische Form gesellschaftlichen Engagements bezeichnen kann. Sie beteiligen sich an Gesetzgebungsverfahren, sie verpflichten sich zur Einhaltung arbeits-, sozial- und umweltrechtlicher Regelungen, sie handeln Tarif-verträge mit Gewerkschaften aus, sie beteiligen sich aktiv im dualen Ausbildungssystem, sie führen Beiträge an die Sozialversicherungen ab, und sie zahlen Steuern.
Dieses in der sozialen Marktwirtschaft institutionalisierte, korporatistisch ausgehandelte, in gesetzlichen Regelungen kodifizierte und insofern sehr traditionsreiche Unternehmensengagement sieht sich zunehmend internationalen Diskussionen ausgesetzt, die vor allem durch angloamerikanische Debatten geprägt sind. Leitbegriffe dieser Diskussionen sind Corporate Social Responsibility (CSR), Corporate Responsibility (CR) oder Corporate Citizenship (CC). Zwar unterscheiden sich diese Begriffe und die damit verbundenen Vorstellungen in ihrer inhaltlichen Akzentsetzung und politischen Stoßrichtung. Gemeinsam ist ihnen aber die Idee, dass Unternehmen über gesetzliche Vorgaben und über ihre eigentliche Geschäftstätigkeit hinaus in selbst gewählten gesellschaftlichen Bereichen und eigens initiierten Projekten von ihrer Freiheit zum Engagement Gebrauch machen (sollten) - sei es in den Bereichen Bildung und Erziehung, sei es in den Feldern Ökologie oder Soziales, sei es in der Bereichen Kultur oder Sport.
Im Zentrum stehen Formen eines unternehmerischen Engagements, die deutlich über das Sponsoring als einem Instrument der Kommunikationspolitik im Marketing-Mix eines Unternehmens hinausgehen. Vielmehr heben diese Engagementformen explizit auf die Rolle als "Unternehmensbürger" im sozialen und politischen Gemeinwesen ab. Als besonders bedeutsam gelten bereichsübergreifende Kooperationen mit Partnerorganisationen, um spezifische gesellschaftliche Aufgaben in gemeinsamen Projekten zu bearbeiten. Dazu gehören neben materiellen Aufwendungen im Sinne eines Transfers von Geld oder Sachmitteln in Projekte (Corporate Giving) z.B. der aktive Einbezug von Beschäftigten im Sinne eines Transfers von Zeit und Wissen (Corporate Volunteering).
Allerdings lassen sich die angloamerikanisch geprägten Diskussionen und Konzepte zu dieser Thematik nur bedingt auf den deutschen Kontext beziehen. Denn diese scheinbar neuen Formen eines unternehmerischen Engagements in der Gesellschaft lassen sich erst dann angemessen verstehen, wenn man das im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft institutionalisierte, mithin "alte" Engagement nicht als selbstverständlichen gesellschaftlichen Beitrag von Unternehmen betrachtet. Vielmehr muss man es als grundlegend für das gesellschaftliche Engagement von Unternehmen in Deutschland insgesamt anerkennen. Erst vor diesem Hintergrund gewinnen Umfang, Struktur und Differenzierungen des - darüber hinausgehenden - freiwilligen unternehmerischen Engagements, das im Zuge der internationalen Diskussionen besondere Aufmerksamkeit erfährt, ihre inhaltliche Bedeutung. 1
Die Frage nach Umfang, Struktur und Differenzierungen dieses freiwilligen gesellschaftlichen Engagements von Unternehmen in Deutschland steht im Zentrum dieses Beitrags. Skizziert und interpretiert werden Ergebnisse einer bundesweiten und branchenübergreifenden Befragung von Wirtschaftsunternehmen, auf deren Grundlage potenzielle Traditionen und Neuorientierungen dieses Engagements herausgearbeitet werden. 2 Dieser Rekonstruktionsversuch ist mit einem methodischen Vorbehalt zu versehen, denn unsere empirische Studie wurde im Herbst 2006 als Querschnittserhebung durchgeführt, die grundsätzlich keine Aussagen über Entwicklungstendenzen erlaubt. Insofern sind meine leitenden Thesen, die im Folgenden skizziert werden, auch nicht als empirische Konstatierungen zu verstehen, sondern als Interpretationsfiguren mit erfahrungsgesättigtem Plausibilitätsanspruch, die aufschlussreiche Hinweise auf institutionelle Pfade und Dynamiken des freiwilligen gesellschaftlichen Engagements von Unternehmen in Deutschland geben.
Die Grundgesamtheit unserer Befragung bilden privatgewerbliche Unternehmen in Deutschland mit einem Jahresumsatz von mindestens einer Million Euro und mindestens zehn Mitarbeitern. Die empirische Basis bildete die "Firmendatenbank Deutschland" des Informationsdienstleisters Hoppenstedt, in der die bedeutendsten Unternehmen ab einer Million Euro Jahresumsatz oder 20 Beschäftigten aufgelistet sind. Aus dieser Grundgesamtheit wurde eine Zufallsstichprobe gezogen. Da die Datenbank mit 225.000 Unternehmen, die rund 80 Prozent der Wertschöpfung in Deutschland repräsentieren, sehr umfangreich ist, dürften die Ergebnisse auch auf die Grundgesamtheit aller privatgewerblichen Unternehmen in Deutschland verallgemeinerbar sein.
Die Unternehmensstichprobe, auf die in der folgenden empirischen Analyse Bezug genommen wird, zeichnet sich durch die in Abbildung 1 dargestellten Strukturmerkmale der Unternehmen aus.
In den ausgewählten Unternehmen wurden im Herbst 2006 mit Hilfe computergestützter Telefoninterviews Mitglieder der Geschäftsführung oder diejenigen Mitarbeiter befragt, die für den Bereich Öffentlichkeitsarbeit zuständig waren. Auf diese Weise sollten Expertinnen und Experten für das gesellschaftliche Engagement des jeweiligen Unternehmens interviewt werden. Die Ausschöpfung der Netto-Stichprobe betrug 41,7 Prozent (N = 501 Unternehmen). Diese Quote ist für telefonische Unternehmensbefragungen als gut einzuschätzen und liegt deutlich über den Realisierungsquoten entsprechender schriftlicher Erhebungen.
Da zu Beginn der Befragung nicht auf den Untersuchungsinhalt eingegangen wurde, ist davon auszugehen, dass die Stichprobe nicht zugunsten freiwillig gesellschaftlich engagierter Unternehmen verzerrt ist. Zum einen wurde einleitend das gesellschaftliche Engagement eines Unternehmens als "all jene Maßnahmen und Aktivitäten" bezeichnet, "mit denen das jeweilige Unternehmen in das gesellschaftliche Umfeld einwirkt und so freiwillig gesellschaftliche Verantwortung wahrnimmt". Zum anderen wurde die Frage, ob sich ein Unternehmen engagiert, mit Hilfe einer Liste möglicher Formen des gesellschaftlichen Engagements erhoben, um den Unternehmen das Spektrum aufzuzeigen und sich darin mit eigenen Aktivitäten wiederfinden zu können. In der Engagementliste wurde bewusst auf das Instrument des Sponsorings verzichtet, da Sponsoring als strategisches Instrument des Unternehmensmarketings und damit als eine Geschäftspraktik betrachtet wird, die auf vertraglich geregelten Gegenleistungen des Gesponserten beruht. Darüber hinaus wurde das Engagement der Unternehmen ab dem Jahr 2005 abgefragt.
Betrachtet man die empirischen Befunde der Unternehmensbefragung, dann lassen sich zentrale Ergebnisse in drei Thesen inhaltlich komprimieren. Sie werden mit den Begriffen "Persistenz-", "Ambivalenz-" und "Dualismus-These" bezeichnet und im Folgenden anhand ausgewählter empirischer Befunde illustriert.
96 % der befragten Unternehmen sind freiwillig gesellschaftlich engagiert. Dieser hohe Anteil korrespondiert mit Ergebnissen anderer Untersuchungen, die - trotz erheblicher Unterschiede in der theoretischen und methodischen Anlage - Engagementquoten von über 80 bzw. mehr als 90 % ermitteln. 3 Die Engagementbereitschaft durchzieht sämtliche Branchen und Größenklassen 4 von Unternehmen, zwischen denen sich keine bedeutsamen Unterschiede erkennen lassen (vgl. Abbildung 2).
Überwiegend greifen die engagierten Unternehmen auf Engagementformen zurück, die (neben dem Sponsoring, das ausgeklammert wird) als klassische Instrumente des unternehmerischen Engagements bezeichnet werden können: materielle Ressourcen in Form von Geld- (83,4 %) oder Sachspenden (59,7 %) (vgl. Tabelle 1). Andere Formen des Corporate Giving, die in aktuellen Diskussionen als "moderne Engagementformen" thematisiert werden, findet man hingegen vergleichsweise selten (z.B. Spendenaktionen oder Stiftungsgründungen).
Anders verhält es sich mit der betrieblichen Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements der Beschäftigten, die unter dem Begriff Corporate Volunteering als innovatives Instrument unternehmerischen Engagements gilt. Mehr als 60 % der Unternehmen geben an, das ehrenamtliche Mitarbeiterengagement zu unterstützen, sei es durch die Bereitstellung der betrieblichen Infrastruktur oder durch Freistellungen für das Engagement.
Mit Hilfe dieser verschiedenen Engagementformen werden überwiegend Aktivitäten im lokalen Raum der Unternehmensstandorte gefördert. Fast drei Viertel der gesellschaftlich engagierten Unternehmen geben an, sich lokal bzw. regional im Umfeld des Unternehmenssitzes oder Betriebsstandortes einzubringen, während sich ein wesentlich geringerer Anteil auf nationaler (14,5 %) oder internationaler Ebene (13,6 %) engagiert (vgl. Tabelle 2).
Die Auswahl entsprechender Maßnahmen und Projekte erfolgt dabei zumeist als Reaktion auf Anfragen aus dem gesellschaftlichen Umfeld, bei denen vor allem darauf geachtet wird, dass die Anfragen thematisch zum Unternehmen passen. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Kontext die Bereiche "Sport" und "Freizeit", die für die Unternehmen die interessantesten Handlungsfelder ihres gesellschaftlichen Engagements darstellen. Erst mit deutlichem Abstand folgen die Bereiche "Erziehung und Bildung", "Kommune und Gemeinwesen" und "Soziales".
Um sich in den verschiedenen Handlungsfeldern zu engagieren, gehen rund 60 % der Unternehmen Kooperationen mit anderen Organisationen ein. Im Zentrum steht dabei offensichtlich das lokal und regional agierende Vereinswesen: 70 % der Unternehmen, die auf solche Interaktionen verweisen, arbeiten mit lokalen freiwilligen Vereinigungen zusammen (vgl. Abbildung 3). Erst mit deutlichem Abstand folgen Bildungseinrichtungen wie Kindergärten und Schulen (43,7 %), Wohlfahrtsverbände (37,8 %) oder Kommunalverwaltungen (35,6 %).
Fasst man die skizzierten Befunde zusammen, dann lässt sich das gesellschaftliche Engagement von Unternehmen in Deutschland als selbstverständlicher Bestandteil unternehmerischer Aktivitäten in der lokalen Zivilgesellschaft der Betriebsstandorte beschreiben, das sich vorrangig durch die Bereitstellung materieller Unternehmensressourcen zugunsten von sport- und freizeitorientierten Projekten des lokalen Vereinswesens auszeichnet. Diese Befunde weisen darauf hin, dass ein solches Engagement offenkundig keine "Erfindung" einer erst aufkommenden gesellschaftspolitischen Diskussion ist, die sich vor dem Hintergrund internationaler Debatten zu entfalten sucht. Vielmehr scheint es in Traditionen der unternehmerischen Partizipation im Gemeinwesen eingebettet zu sein. Für diese Interpretation sprechen auch die Selbsteinschätzungen der engagierten Unternehmen: In vier von fünf Unternehmen gehört nach Auskunft der Befragten das gesellschaftliche Engagement zum Selbstverständnis und bei fast zwei Dritteln zu den Traditionen und Werten des Unternehmens.
In diesem Kontext scheinen die Unternehmen bevorzugt solche Handlungsfelder zu wählen, die eher zu den Randbereichen staatlichen Handelns zählen und die ihnen insofern ein vergleichsweise wenig reglementiertes, frei gewähltes und selbst bestimmtes Handeln eröffnen dürften. Exemplarisch dafür stehen die quantitativ eindeutig dominierenden Bereiche Sport und Freizeit, die einerseits als vermeintlich "unpolitische" Handlungsfelder gelten und relativ "staatsfern" organisiert sind, die andererseits aber auch in der Öffentlichkeit positiv konnotiert sind und die insofern Imagegewinne (oder zumindest keine Imageverluste) zu garantieren scheinen.
Gleichwohl unterliegt das gesellschaftliche Engagement der Unternehmen offenbar nur sehr begrenzt der "Verwertungslogik" des Wirtschaftssystems im Sinne von Effektivität und Effizienz von Maßnahmen und Aktivitäten als prioritären Unternehmenszielen. Diese Ambivalenz zwischen einer originären unternehmerischen Handlungslogik und eines gesellschaftlichen Engagements, das dieser Handlungslogik nur sehr begrenzt untergeordnet wird, lässt sich an der unternehmensstrategischen und -organisatorischen Bearbeitung dieses Themas exemplarisch erkennen.
Weniger als ein Drittel der Unternehmen, die sich gesellschaftlich engagieren, gibt an, dass das Engagement Bestandteil der Geschäftstrategie sei, also in eine längerfristig ausgerichtete Konstellation unternehmerischer Gewinnmaximierung eingebettet ist. Insofern überrascht es auch nicht, dass ein relativ geringer Anteil der Unternehmen mit seinem gesellschaftlichen Engagement das Ziel verfolgt, die Bilanz des Unternehmens oder die eigene Wettbewerbsposition zu verbessern (11,9 bzw. 24,1 %). Diese Ergebnisse korrespondieren mit dem Befund, dass weniger als ein Drittel der Unternehmen (31,5 %) seinem Engagement klare, messbare Zielsetzungen und Nutzenerwägungen zugrunde legt. Noch geringer fällt der Anteil derjenigen Unternehmen aus, die für ihr Engagement einen festgelegten Aktionsplan haben (12,9 %) oder Instrumente zur Bewertung der Engagementmaßnahmen einsetzen (12,3 %).
Spiegelbildlich dazu verhält es sich mit der unternehmensinternen Bearbeitung des Themas. Nur 1,5 % der engagierten Unternehmen haben eine Personalstelle oder eine Abteilung eingerichtet; und auch die Bearbeitung dieser Herausforderung als übergreifende Querschnittsaufgabe, an der verschiedene Unternehmensbereiche mitwirken, ist die Ausnahme (1,9 %). Vielmehr scheinen Aktivitäten des gesellschaftlichen Engagements organisationsintern personalisiert zu sein, indem Führungs- und Leitungskräfte in unterschiedlichen Abteilungen und Stäben solche Aktivitäten fördern, ohne dass letztere in ein kohärentes Gesamtkonzept des Unternehmens eingebettet sind. Dafür scheint nicht zuletzt das Ergebnis zu sprechen, dass rund jeder Zehnte der Interviewten keine Auskunft darüber geben kann, in welchem finanziellen Umfang das Unternehmen Maßnahmen des gesellschaftlichen Engagements fördert (bei den Großunternehmen gilt das sogar für fast jeden dritten Befragten).
Bilanziert man die Ergebnisse, dann kann man sagen, dass das freiwillige gesellschaftliche Engagement von Unternehmen in Deutschland selten in eine übergeordnete unternehmerische Konzeption und Strategie eingebettet ist, überwiegend spontan, zufällig und unkoordiniert erfolgt und darüber hinaus eher personalisiert und informell als standardisiert und zentralisiert bewerkstelligt wird. Neben dem Sponsoring als einem weit verbreiteten, strategisch ausgerichteten Marketinginstrument scheint das gesellschaftliche Engagement von Unternehmen in erster Linie die Züge philanthropischen Handelns zu tragen und als freiwillige Selbstverpflichtung verstanden zu werden. Dazu gehört nicht zuletzt eine Gemeinwohlorientierung im Sinne eines Interesses an der Mehrung nicht nur privater, sondern auch öffentlicher Güter - eine Orientierung, die nur sehr begrenzt den strategischen Bewertungsmaßstäben aus dem Instrumentenkoffer der Betriebswirtschaftslehre untergeordnet werden kann.
Diese These spiegelt sich auch in der Einschätzung der Befragten selbst wieder. Zwei Drittel von ihnen sind der Ansicht, gesellschaftliches Engagement habe bei vielen Unternehmen zwar hohe Bedeutung, werde aber nicht mit betriebswirtschaftlichen Instrumenten und Verfahren in die Praxis umgesetzt. Stattdessen wird dem gesellschaftlichen Engagement offenbar ein Freiraum des Experimentierens und Erprobens zugestanden, der den Eigensinn eines bürgerschaftlichen Engagements mit den charakteristischen Merkmalen der Freiwilligkeit, Autonomie und bedarfswirtschaftlichen Ausrichtung zu reflektieren scheint.
Bei einer differenzierten Betrachtung geben die Daten erste Hinweise darauf, dass die internationalen Diskussionen zumindest für ein Segment des privatgewerblichen Sektors in Deutschland an Bedeutung zu gewinnen scheint. Diese empirischen Hinweise lassen sich zu der These verdichten, dass der privatgewerbliche Sektor in Deutschland im Hinblick auf das gesellschaftliche Engagement eine tendenzielle Zweiteilung erfahren könnte.
Dabei stehen auf der einen Seite die kleineren und mittelgroßen Unternehmen, bei denen das gesellschaftliche Engagement in besonders ausgeprägter Weise die skizzierten Merkmale eines lokalen, zivilgesellschaftlich eingebetteten Engagements aufweist, das überwiegend philanthropische Züge "jenseits" einer wirtschaftlichen Verwertungslogik trägt. Auf der anderen Seite scheinen die Großunternehmen zunehmend die Ideen und Metaphern der internationalen Debatten zu rezipieren, sich vor diesem Hintergrund zumindest tendenziell an den entsprechenden Vorstellungen und Deutungsmustern von gesellschaftlichem Engagement zu orientieren und in das unternehmensinterne Selbstverständnis zu integrieren.
Exemplarisch dafür stehen die Ziele des gesellschaftlichen Engagements von Großunternehmen, bei denen die in der internationalen Debatte zentralen Begriffe der "gesellschaftlichen Verantwortungsübernahme" und der "Investition in das Human- und Sozialkapital des Gemeinwesens" als Voraussetzung für eigenen wirtschaftlichen Erfolg eine weitaus größere Rolle spielen als bei mittleren und kleineren Unternehmen (vgl. Abbildung 4). Diese Zielsetzungen bilden nicht nur die maßgeblichen Intentionen, die das gesellschaftliche Engagement der Großunternehmen begründen; sie werden auch statistisch signifikant höher bewertet als von den mittleren und kleineren Unternehmen.
Um diese Ziele in die soziale Praxis umzusetzen, zeigen sich Großunternehmen offensichtlich auch wesentlich aktiver als mittlere und kleinere Unternehmen: Fast zwei Drittel der Großunternehmen suchen nach eigener Auskunft selbst aktiv nach Möglichkeiten, sich gesellschaftlich zu engagieren. Dementsprechend orientieren sie sich bei ihren Maßnahmen häufiger an einem definierten Aktionsplan und bewerten ihre Maßnahmen wesentlich häufiger mit Hilfe spezifischer Evaluationsinstrumente. Dabei bauen sie vielfach Kooperationen mit anderen Organisationen auf, insbesondere mit lokal und regional agierenden Vereinen und Verbänden. Immerhin vier von fünf Großunternehmen verweisen bei der Umsetzung ihres gesellschaftlichen Engagements darauf. Und dieses Engagement wird offenkundig auch offensiv in die Öffentlichkeit getragen: Fast 90 % der Großunternehmen berichten in Form regelmäßiger Presseberichterstattungen, Internetdarstellungen, Kundenzeitschriften oder öffentlicher Veranstaltungen über ihre Aktivitäten.
Versucht man diese empirischen Befunde zu resümieren, dann findet man bei den Großunternehmen Ansätze eines gesellschaftlichen Engagements, das erste Konturen dessen anzunehmen scheint, was in der internationalen Debatte als essentiell für gesellschaftliches Engagement angenommen wird: die Bereitschaft zur Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung durch Investitionen in das Human- und Sozialkapital eines Gemeinwesens, dessen Funktionstüchtigkeit wiederum als Voraussetzung für das eigene erfolgreiche wirtschaftliche Handeln betrachtet wird; eine aktive Rolle bei der Suche nach entsprechenden Projekten im Gemeinwesen, die in Kooperation mit Organisationen insbesondere aus dem Nonprofit-Sektor umgesetzt werden; eine öffentliche Berichterstattung über die gemeinwohlbezogenen Projekte, um Transparenz über die Aktivitäten herzustellen und zugleich Imagegewinne zu erzielen.
Versucht man die in drei Thesen gebündelten empirischen Ergebnisse zum freiwilligen gesellschaftlichen Unternehmensengagement zu bilanzieren, dann ist festzuhalten, dass dieses Engagement in spezifische sozialkulturelle und sozialstaatliche Traditionen in Deutschland eingebettet ist. Die deutliche Mehrheit der Unternehmen scheint insofern tradierten "Engagementpfaden" zu folgen, als im Rahmen dieses Engagements eher eine gesellschaftspolitisch passive Rolle wahrgenommen wird, die den Unternehmen in der korporatistisch verfassten deutschen Marktwirtschaft zumindest in diesem Bereich bisher überwiegend zugewiesen wurde. Betont wird dabei insbesondere die philanthropische Akzentsetzung des frei gewählten unternehmerischen Engagements in der Gesellschaft jenseits unternehmerischer Rationalität und Rentabilität betrieblicher Maßnahmen.
Dieses eher als "traditionell" zu charakterisierende Unternehmensengagement wird speziell bei den Großunternehmen - unter dem Eindruck der Globalisierung wirtschaftlichen Handelns - durch eine veränderte Sichtweise überlagert. In ihr scheinen sich Suchbewegungen widerzuspiegeln, um im Rahmen der korporatistisch verfassten Marktwirtschaft Elemente der internationalen Debatten über CSR, CR oder CC in das Selbstverständnis des eigenen gesellschaftlichen Engagements einzubinden und traditionell philanthropische Aktivitäten um Aspekte betrieblicher Rationalität und Rentabilität zu ergänzen. Gleichwohl sollte das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die daraus resultierenden Suchbewegungen kein konturiertes Bild eines gesellschaftlichen Engagements von Großunternehmen abgeben, das die viel beschworene "Win-win-Konstellation" im Sinne eines messbaren Mehrwerts für das Unternehmen und die Gesellschaft beschreibt. 5
Es muss offen bleiben, in welcher Weise sich dieses abzeichnende Muster eines freiwilligen gesellschaftlichen Engagements von Unternehmen im Laufe der nächsten Jahre entwickeln wird. Einen maßgeblichen Einfluss darauf dürften das sich wandelnde Verständnis von Staatsaufgaben und die damit verbundene veränderte Aufgabenteilung im Wohlfahrtsmix zwischen Staat, Wirtschaft, Drittem Sektor und Privathaushalten haben. Institutionell geförderte Beteiligung in und Öffnung von staatlichen Einrichtungen für Unternehmen, Stärkung der Subsidiarität oder Kommunalisierung politischer Aufgaben lauten entsprechende Stichworte, unter denen eine veränderte Rolle von Unternehmen als "Unternehmensbürger" zu diskutieren sein wird.
1 Vor diesem
Argumentationshintergrund veranstalten das Forschungszentrum
für Bürgerschaftliches Engagement an der Universität
Paderborn und das BBE am 25./26. September 2008 einen
internationalen Kongress zum Thema "Gesellschaftliches Engagement
von Unternehmen. Der deutsche Weg im internationalen Kontext" im
Heinz-Nixdorf-Forum in Paderborn. Der Kongress wird gefördert
vom BMFSFJ, dem MGFFI des Landes NRW und der Initiative "Paderborn
überzeugt". Informationen unter:
www.engagement-von-unternehmen.de.
2 Die empirische Untersuchung wurde vom
Forschungszentrum für Bürgerschaftliches Engagement
(Projektleitung, Fragebogenkonstruktion, Datenauswertung und
-dokumentation) in Kooperation mit FORSA (Datenerhebung) und dem
CCCD (Vorbereitung des Vorhabens und Mitarbeit bei der
Fragebogenkonstruktion) durchgeführt. Besonderer Dank gilt der
Deutschen BP AG für die Projektförderung. Informationen
unter: www.forschungszentrum-be.uni-paderborn.de.
3 Vgl. Frank Maaß/Reinhard
Clemens, Corporate Citizenship: Das Unternehmen als guter
Bürger, in: Institut für Mittelstandsforschung Bonn
(Hrsg.), Jahrbuch zur Mittelstandsforschung 2/2002, Wiesbaden 2002;
Forsa, "Corporate Social Responsibility" in Deutschland, Berlin
2005.
4 Unternehmen mit bis zu 49 Mitarbeitern
bzw. unter 10 Mio. EUR Jahresumsatz werden im Folgenden als
"kleine", mit 50 bis 499 Mitarbeitern bzw. 10 bis 50 Mio. EUR
Jahresumsatz als "mittlere" und mit mindestens 500 Mitarbeitern
bzw. mehr als 50 Mio. EUR Jahresumsatz als "große
Unternehmen" bezeichnet.
5 Vgl. dazu Sebastian Braun, Corporate
Citizenship und Dritter Sektor. Anmerkungen zur Vorstellung: "Alle
werden gewinnen...", in: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen,
(2007) 2, S. 186-190.