Ein seltsamer Tag im Untersuchungsausschuss: Die Öffentlichkeit ist am 18. September von der geheimen Vernehmung zweier während des Irak-Kriegs im Jahr 2003 in Bagdad eingesetzter BND-Agenten ausgeschlossen. Umso fleißiger kommentieren die Kombattanten am Rande vor Journalisten diese Befragung. Mit den BND-Informationen aus Bagdad an das US-Militär sei eine "rote Linie überschritten" worden, meint etwa der liberale Abgeordnete Max Stadler.
"Wir haben eine weiße Weste", kontert SPD-Obmann Michael Hartmann die Vorwürfe des FDP-Politikers, die auch der Linksparlamentarier Norman Paech und Hans-Christian Ströbele von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen teilen.
Der Ausschuss prüft in den nächsten Wochen in der Tat Heikles: Hat Deutschland entgegen der Behauptung der rot-grünen Regierung, Berlin leiste keine Unterstützung für den Irak-Krieg der USA, über die Weitergabe militärisch bedeutsamer BND-Erkenntnisse an die US-Armee doch Schützenhilfe geleistet?
Die Zeugenvernehmung bestätigt für die Opposition wie die Auswertung der - an vielen Stellen geweißten - Regierungsakten, dass die Agenten "fast ausschließlich" (Ströbele) militärisch wichtige Daten etwa über Geschütz- und MG-Stellungen, Saddam Husseins Elitetruppen oder die Wirkung von Bombenangriffen nach Pullach geliefert hätten. Offen ist indes, was von dort über den in Katar stationierten BND-Verbindungsmann "Gardist" an die USA ging. Der Leiter der damals in Pullach zuständigen Stelle "38 B", der die Daten aus Bagdad filterte, wird am kommenden Donnerstag angehört.
Schriftliches existiert über den Meldungsfluss zu den US-Truppen nichts. Laut Hartmann wurden nur "allgemeine Informationen" und Angaben über nicht anzugreifende Ziele ("non-targets") wie Botschaften oder Hotels weitergereicht, hingegen nichts, was für die "taktisch-operative Kriegführung" von Belang gewesen sei - für Letzteres seien keinerlei Belege zu finden. Es habe im Übrigen im BND dazu eine "klare Weisungslage" geherrscht, auch wenn diese nicht schriftlich fixiert gewesen sei.
FDP-Mann Stadler indes erklärt, die Bombardierung eines irakischen Offiziersclubs stehe im Zusammenhang mit BND-Erkenntnissen. Ströbele fügt hinzu, der rasche Einmarsch der US-Armee in Bagdad hänge wohl ebenfalls mit Nachrichten aus Pullach zusammen.
Laut Paech tauchen in den Meldungen aus Bagdad kaum Hinweis auf "non-targets" wie Schulen und Kliniken auf. Der Abgeordnete der Linksfraktion kritisiert, dass die BND-Agenten bei ihrer Befragung ausgeführt hätten, nicht zu wissen, was mit ihren an die Zentrale geschickten Daten geschehen sei. Paech vermutet, die beiden Zeugen seien wohl entsprechend "gebrieft" worden. Hartmann attackiert diese Vorwürfe als "Wirres und Falsches". Das Klima im Ausschuss ist offenbar aufgeladen.
Die wachsenden Spannungen dürften mit dem nahenden Bundestagswahlkampf in engem Zusammenhang stehen. FDP, Linkspartei und Bündnis 90/Die Grünen wollen in der Bagdad-Affäre besonders die Rolle von Ex-Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier durchleuchten: Was hat der SPD-Politiker und heutige Außenminister zu verantworten? Steinmeier, der Ende November im Ausschuss - dann zum fünften Mal - auftreten dürfte, ist inzwischen Kanzlerkandidat seiner Partei. Sein früherer Chef, Ex-Regierungschef Gerhard Schröder (SPD), wird vermutlich ebenfalls angehört. SPD-Obmann Hartmann setzt schon mal darauf, dass die Union "in Treue fest" zur Koalition und zu Steinmeier steht.