Es ist ein sommerlicher Tag in Plauen. Der Klosterplatz in der Altstadt liegt in der prallen Mittagssonne. Im Inneren des weißen Bundestags-Infomobils mitten auf dem Platz ist es dagegen angenehm schattig. So bleiben immer wieder Leute stehen, um sich "vor Ort" über die Arbeit des Bundestages in Berlin zu informieren: Sie studieren die ausliegenden Broschüren und Hefte, die sie auch in einer blaue Bundestags-Jutetasche mitnehmen können, oder suchen das Gespräch mit einem der drei freien Mitarbeiter des Parlamentes.
Das Bundestags-Infomobil fuhr erstmals nach der deutschen Wiedervereinigung durch die neuen Länder. Es sollte den ehemaligen DDR-Bürgern das neue gesamtdeutsche Parlament näherbringen, die Details der Bundestagswahl und der Parlamentsarbeit erklären. Das Projekt lief so gut, dass auch Abgeordnete aus den alten Bundesländern nach dem Infomobil fragten. Seit 1996 fährt es von März bis Oktober quer durch die Bundesrepublik, jedes Jahr auf einer anderen Route. Die sogenannte "Ferientour" beginnt diesmal im Vogtland und führt durch den südlichen Freistaat Sachsen bis nach Dresden. Wenn das Infomobil während des Schuljahres unterwegs ist, kommen oft mehrere Klassen täglich zum Vortrag, "manche Lehrer schauen mit ihren Klassen auch spontan vorbei", erzählt der langjährige Infomobil-Mitarbeiter und studierter Gymnasiallehrer Heinz Lackmann. Während der "Ferientour" sind es dagegen eher Spaziergänger oder Touristen, die den Weg zum Infomobil finden. So wie Heidemarie Helling, Rentnerin aus Plauen, die zunächst "aus Neugier" die Treppen des Infomobils hinaufsteigt und später lange mit Infomobil-Mitarbeiter Marc Heydenreich diskutiert. Sie hat einiges auf dem Herzen: Die Irrungen und Wirrungen der Gesundheitsreform, die Berlin-Bonn-Debatte. Heydenreich hört aufmerksam zu, diskutiert und erklärt. Als frischgebackener Absolvent der Verwaltungswissenschaften ist der 28-jährige über viele Themen informiert. Alle freien Mitarbeiter seien natürlich "politisch interessierte Menschen". Im persönlichen Gespräch und besonders vor Schulklassen seien auch gewisse "rhetorische Fähigkeiten" von Vorteil, erzählt er.
Die bringt auch Regina Semmler mit. Nach ihrem Lehramtsstudium entschied sie sich für die Arbeit beim Deutschen Bundestag und frischt unter anderem die politischen Kenntnisse von Berufsschülern wieder auf. Hilfreich sind da Rollenspiele, wo Schüler die Arbeit von Abgeordneten simulieren und beispielsweise über Sinn und Unsinn des Nichtraucherschutzes diskutieren. "Solche Themen sind ganz nah an der Lebenswelt der Schüler", sagt Semmler.
Aber auch Erwachsene verlassen das Infomobil immer wieder mit Aha-Erlebnissen, erzählt Heinz Lackmann. Dass man bei der Bundestagswahl die Erst- und die Zweitstimme auch unterschiedlichen Parteien geben kann, erfuhr ein Bürger erst im Infomobil-Gespräch. "Der ging schon seit 18 Jahren wählen", erinnert sich Lackmann.
Nicht in allen Gesprächen geht es um Wahlen oder die Arbeit des Bundestages. Viele Besucher haben ganz konkrete Anliegen, Ärger mit der Krankenkasse oder dem Arbeitsamt, oder sie würden einfach gerne nach Berlin zum Reichstag fahren. Dann versuchen die Infomobil-Mitarbeiter, die Menschen an die richtigen Ansprechpartner weiterzuleiten - an die Abgeordneten des jeweiligen Wahlkreises etwa oder an den Petitionsausschuss. Aber nicht für alle Anliegen der Infomobil-Besucher gibt es eine einfache Lösung. Am frühen Nachmittag kommt ein Mann und fragt "Ob die Würde des Menschen wirklich unantastbar ist?" Seine eigene Würde sieht er von einem Gericht verletzt, von dem er sich ungerecht behandelt fühlt. Darauf zu reagieren, fällt auch den Infomobil-Mitarbeitern nicht leicht. Doch dann fragt der Mann nach Publikationen für seine Tochter, die bald ihr Studium beginnt - und als er mit einer vollen Jutetasche das Infomobil verlässt, scheint er mit der Welt wieder halbwegs versöhnt.