Menschenhandel
Die Geschichte Amerikas ist auch eine Geschichte der Sklaverei
Amerika ist von Afrika aus besiedelt worden - sieht man für einen Augenblick von Abermillionen Indianern ab. Zumindest in den ersten drei Jahrhunderten, in den Jahren zwischen 1492 und 1820, sind weit mehr Schwarzafrikaner nach Amerika verfrachtet worden, als Europäer dorthin auswanderten. Der transatlantische Sklavenhandel war eine der größten Völkerverschiebungen in der frühen Neuzeit.
Insgesamt sind annähernd zwölf Millionen Schwarzafrikaner in Richtung Amerika verschifft worden. Schätzungsweise eineinhalb Millionen überlebten die Überfahrt nicht. Und das, obwohl die Kapitäne darum bemüht waren, die Menschenfracht möglichst vollständig und gesund nach Amerika zu bringen - aus schierem Eigeninteresse. Davon hing ihr Verdienst ab. Die Hoch-Zeit lag im 18. Jahrhundert, ausgelöst im Wesentlichen durch einen forcierten Zuckerrohranbau. Seinerzeit wurden in manchen Jahren bis zu einhunderttausend Menschen angelandet. Die größten Sklavenhandelsnationen waren - in dieser Reihenfolge - Portugal und England, Frankreich und die Niederlande.
Die Autoren Jochen Meissner, Ulrich Mücke und Klaus Webersucht fassen in ihrem empfehlenswerten Buch "Schwarzes Amerika" neueste Trends in der internationalen Forschung zum transatlantischen Sklavenhandel zusammen und ordnet das Geschehen in globale Zusammenhänge ein. Über Tauschgüter waren in diesem Handel unter anderem auch Kontinentaleuropa und Asien miteinbezogen. Vereinfacht ausgedrückt: Von Europa brachen die Schiffe auf, vollbeladen mit Tauschgütern wie Textilien, Waffen und dergleichen mehr. An der afrikanischen Westküste wurde das Mitgebrachte gegen Sklaven eingetauscht.
Der Handel beruht auf einem makabren Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Das Angebot kam aus Afrika. Fang und Verkauf der Menschen lag über die Jahrhunderte hinweg weithin in afrikanischer Hand. Die Nachfrage kam aus Amerika. Genauer gesagt vom so genannten "Plantagenamerika" - in ihrer großen Mehrheit wurden die Menschen nach Brasilien und in die Karibik, in deutlich geringerem Maße in die Südstaaten der heutigen USA verschifft. Dort achtete man, nicht zuletzt auch aus ökonomischen Gründen, auf natürliche Reproduktion.
Sklaverei hatte, so die Autoren, in Afrika eine lange Tradition. Es gab sie vor, während und nach dem transatlantischen Sklavenhandel. Der Kontinent war über die Jahrhunderte hinweg vom so genannten orientalischen Sklavenhandel, auch zahlenmäßig, nicht weniger betroffen als vom transatlantischen. Als es mit letzterem im 19. Jahrhundert zu Ende ging, nahm die Sklaverei innerhalb Afrikas zu. Ein sukzessives Ende fand sie erst zum Ende des 19. Jahrhunderts, als Afrika unter den Kolonialmächten aufgeteilt wurde. Mancherorts in Europa wurde der Kampf gegen Sklaverei gar als Vorwand genutzt, um die Kolonisierung des Kontinents zu rechtfertigen.
Die Geschichte der Sklaverei war zwar auch immer eine Geschichte des Widerstandes. Bewirkt hat er letztendlich wenig. Über die Jahrhunderte hinweg führte nur ein einziger Sklavenaufstand zu einem greifbaren Erfolg - jener von Saint-Domingue im Jahre 1791. Er führte zur Gründung der Republik Haiti.
Folgenreicher waren die Entwicklungen in England. Dort gewann zum Ende des 18. Jahrhunderts eine religiös und humanitär begründete Antisklavereibewegung öffentliche Unterstützung. Sie erreichte, dass 1807 Sklavenhandel verboten wurde. England hatte vom transatlantischen Sklavenhandel profitiert. Es ließ sich aber im 19. Jahrhundert den Kampf dagegen auch einiges kosten - eine bemerkenswerte Entwicklung, so die Autoren.
Zum Ende des 19. Jahrhunderts hatte es mit der Sklaverei in Amerika - zuletzt in Brasilien 1888 - ein Ende. Am Erbe dieser Epoche aber hat der Kontinent noch einiges abzuarbeiten.
Schwarzes Amerika. Eine Geschichte der Sklaverei.
Verlag C.H.Beck, München 2008, 320 S., 26,90 ¤