Familie
Das Kinderfördergesetz ist unter Dach und Fach. Der Zankapfel Betreuungsgeld bleibt erhalten
Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) strahlte über das ganze Gesicht. "Das ist ein Riesenerfolg und wir können stolz darauf sein", sagte sie am 26. September in der abschließenden Bundestagsdebatte zum Kinderfördergesetz. Nach der Einführung des Elterngeldes sei der Ausbau der Kinderbetreuung ein Meilenstein für mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf und für echte Wahlfreiheit. Ein Rechts- anspruch auf Betreuung für unter Dreijährige sei vor zwei Jahren fast undenkbar gewesen. Und ganz ohne falsche Bescheidenheit fügte sie hinzu: "Es bedurfte einer Großen Koalition und dieser Ministerin, das umzusetzen und zu handeln." Die Opposition freilich teilte diese Einschätzung nicht und nahm insbesondere das ebenfalls für die Zeit ab 2013 vorgesehene Betreuungsgeld für Eltern aufs Korn, die ihre Kleinkinder zu Hause betreuen wollen.
Dieses lehnt zwar auch die SPD-Fraktion ab, schluckte aber, so ihre Familienexpertin Marlene Rupprecht, diese "Kröte", um den Ausbau der Kinderbetreuung nicht zu gefährden. Allerdings werde die SPD, so sie denn weiter in Regierungsverantwortung sei, dieses zu einem späteren Zeitpunkt verhindern. "Darauf können Sie sich verlassen", betonte die SPD-Abgeordnete Caren Marks. Dagegen machte der CSU-Politiker Johannes Singhammer deutlich, das Betreuungsgeld stehe "im Gesetz drinnen, und genauso wird es auch kommen". Die FDP-Parlamentarierin Miriam Gruß warf Singhammer in diesem Zusammenhag vor: "Sie sehen doch Frauen immer noch lieber am Laufstall als am Laptop." Sicher ist derzeit zumindest eines: Der Zankapfel Betreuungsgeld bleibt. Ob und wie es ausgestaltet wird, hängt von der Zusammensetzung des nächsten oder auch erst übernächsten Bundestages ab.
Für den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen ( 16/9299, 16/10173) stimmten Union und SPD, alle Oppositionsfraktionen votierten dagegen. Der Bundesrat muss dem Entwurf noch zustimmen. Kern des Gesetzes ist die Einführung eines Rechtsanspruchs auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr zum 1. August 2013. Bis zum Jahr 2013 sollen bundesweit 750.000 Betreuungsplätze geschaffen werden, was einer Verdreifachung des heutigen Angebots entspräche. Im Durchschnitt soll es 2013 für 35 Prozent der Kinder im Alter von unter drei Jahren Betreuungsplätze in einer Kita oder bei einer Tagesmutter geben.
Der Bund trägt mit 4 Milliarden Euro ein Drittel der Ausbaukosten von insgesamt 12 Milliarden Euro. Die übrigen Kosten sollen sich Länder und Kommunen teilen. Vom Anteil des Bundes stehen bereits 2,15 Milliarden Euro als Investitionskosten zur Verfügung. Von kommendem Jahr an will sich Berlin mit weiteren 1,85 Milliarden Euro an den Betriebskosten beteiligen, von 2014 an sollen hierfür jährlich 770.000 Euro fließen.
Eine zentrale Änderung, die die Koalitionsfraktionen in der vergangenen Woche im Familienausschuss an dem ursprünglichen Gesetzentwurf vornahmen, betrifft den Krankenversicherungsschutz von Tagesmüttern. Nunmehr sollen Tagesmütter, die bis zu fünf fremde Kinder betreuen, bis zum Jahr 2013 nicht als hauptberuflich gelten. Damit fallen sie weiter unter die kostenfreie Familienmitversicherung.
Um die Qualität von Großtagespflegestellen zu sichern, hat die Koalition zudem die Förderkriterien enger gefasst. Zumindest eine Betreuungskraft müsse über eine "pädagogische Ausbildung" verfügen, heißt es. Außerdem dürfe die Zahl der zu betreuenden Kinder nicht die Zahl der Kinder überscheiten, "die in einer vergleichbaren Gruppe einer Tagesstätte betreut werden dürfen".
Insbesondere die FDP-Fraktion kritisierte eine weitere Änderung des Gesetzentwurfs. Ursprünglich sollte verbindlich festgeschrieben werden, dass alle Träger der Kinderbetreuung - ob privat oder gemeinnützig - gefördert werden. Nunmehr wird diese Entscheidung wie bisher den Ländern überlassen. Derzeit schließen Bremen, Berlin, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein Private aus. Von er Leyen räumte ein, in dieser Frage hätte sie sich vom Koaltionspartner "mehr Mut" gewünscht.
Die Ministerin sagte, die Kommunen hätten einen steilen Weg vor sich, um den geplanten Betreuungsausbau bis 2013 zu schaffen. Heute hätten erst 15,5 Prozent aller unter Dreijährigen in Deutschland einen Betreuungsplatz. Mit 41 Prozent lägen die ostdeutschen Länder weit vor den westdeutschen Länder mit 9,9 Prozent
Oppositionsabgeordnete kritisierten, dass der Ausbau der Betreuung erst 2013 abgeschlossen sein soll. Familien, die heute Betreuung für ihre Kinder benötigten, würden "im Regen stehen gelassen". Die Grünen-Abgeordnete Krista Sager bemängelte, dass der Rechtsanspruch sich nicht auf einen Ganztagsplatz beziehe. Die Kommunen könnten sich problemlos auf Schaffung von Fünf-Stunden-Betreuungsplätzen beschränken.
Die Linksparlamentarierin Diana Golze sagte, es sei unzureichend finanziert und überlaste die Kommunen. Sie betonte: "Der Bund schafft Fakten und die Kommunen sollen die Rechnung begleichen."
Die Opposition scheiterte mit ihren Anträgen zur Kinderförderung ( 16/8406, 16/9305, 16/7114, 16/7482) genauso wie mit ihren Entschließungsanträgen ( 16/10381, 16/10382, 16/10383). Der Bundestag nahm zudem den Bericht der Bundesregierung über den Stand des Kitaausbaus (Unterrichtung 16/6100, 16/9049) zur Kenntnis.