Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Treffender ließe sich kaum das Leben von Monika Lazar beschreiben. Denn die 40-Jährige hätte es sich nie träumen lassen, einmal Abgeordnete im Bundestag zu werden. Sie, die zu DDR-Zeiten um ein Haar keinen Studienplatz bekommen hätte, weil sie als "zu kritisch" galt. "Hätte mir jemand das vorausgesagt, hätte ich gesagt: Du spinnst!" Monika Lazar tippt sich lachend mit dem Zeigefinger an die Stirn.
Tatsächlich ist der Werdegang der Politikerin, die für Bündnis 90/ Die Grünen Mitglied heute im Petitionsausschuss ist, kaum ohne die Wende zu verstehen. Aufgewachsen ist Lazar in Markkleeberg bei Leipzig, wo ihre Eltern eine Bäckerei betrieben. Über Politik wurde in der Familie selten gesprochen, lieber Abstand gehalten. So war etwa die Jugendweihe für Monika Lazar tabu: "Das machst du nicht, hieß es", erzählt die Parlamentarierin. Sie war fast die Einzige in ihrer Klasse, die an dem staatlichen Initiationsfest nicht teilnahm. "Es war seltsam, plötzlich in der Minderheit zu sein", erinnert sich Lazar.
Und es sollte nicht das letzte Mal sein: Die Schülerin war nicht nur eine der wenigen, die sich aus pazifistischen Gründen gegen das Schießen und den Handgranatenweitwurf im Sportunterricht wehrte. Sie weigerte sich auch standhaft, an einer Klassenfahrt nach Kiew teilzunehmen. Da war gerade ein Reaktor des nahegelegenen Kernkraftwerks in Tschernobyl explodiert, doch die Reise sollte trotzdem stattfinden. "Man konnte ja schlecht die Sowjetunion brüskieren", sagt Lazar mit leichter Ironie in der Stimme. Doch dem wäre eine Absage gleichgekommen - also fuhr die Klasse. Aber ohne sie. Wie das ging? "Oft war mehr möglich, als man dachte", sagt die Politikerin über die Restriktionen in der DDR. "Man musste es nur versuchen." Eine Erkenntnis, die sie prägte.
Ende der 1980er-Jahre begann Monika Lazar, sich in einer Umweltinitiative zu engagieren: "Der Fluss Pleiße bei Leipzig war schwarz mit violetten Schaumkronen und stank stechend nach Phenol", erinnert sich Lazar. Offiziell jedoch existierte dieses Problem nicht. Das Ziel der Initiative deshalb: "Wir wollten wissen, wie schlimm die Verschmutzung wirklich war." Dazu nahmen sie Wasserproben - natürlich heimlich, denn solche Aktionen waren nicht ungefährlich.
"Richtig politisiert" haben Monika Lazar jedoch die Montagsdemonstrationen in Leipzig, an denen sie im Herbst 1989 wöchentlich teilnahm. "Das war unglaublich spannend", sagt Lazar und beginnt von den Wochen bis zur Öffnung der Mauer zu erzählen: Von der Hoffnung auf Demokratie, aber auch von der Angst, die Proteste könnten gewaltsam niedergeschlagen werden. "Viele haben sich von ihren Familien verabschiedet in dem Bewusstsein, sie würden vielleicht abends nicht mehr zurückkehren", erinnert sich Lazar. Das Erlebte bewegt sie sichtlich. Noch immer, bald zwanzig Jahre danach.
Die Wende veränderte alles. Beruflich musste sich Lazar neu orientieren und besann sich zunächst auf ihre Wurzeln: Sie machte eine Bäckerlehre. Politisch löste der Umbruch in Monika Lazar aber Euphorie aus: "Plötzlich war alles möglich!" 1990 verbrachte sie im Dauerwahlkampf für die Grünen, mit denen sie bereits "aktiv sympathisierte". 1993 wurde sie Mitglied, zog ein Jahr später in den Stadtrat von Markkleeberg ein. Doch dieses Engagement bedeutete auch einen Sprung ins kalte Wasser: "Ich hatte ja keine Erfahrung, wie das alles läuft", erinnert sich Lazar. Trotzdem ließ sie sich nicht schrecken. Sie begann einfach.
So wie im Bundestag, in den sie 2004 als Nachrückerin einzog. Dort übernahm sie für ihre Fraktion den Posten als Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus. Ein Thema, das ihr am Herzen liegt. Von einem Verbot rechtsextremer Parteien hält sie jedoch wenig: "Es beseitigt das Problem nicht!", erklärt sie und fordert stattdessen, mehr finanzielle Mittel in die Prävention zu stecken. Denn Rechtsextremismus sei ein "unerträglicher Angriff" auf die Demokratie. Für jemanden wie Monika Lazar, die für Freiheit und Demokratie erst auf die Straßen gehen musste, ist er besonders unerträglich.