"Zum ersten Mal", stellt Wolfgang Thierse in seiner Antrittsrede nach seiner Wahl zum Bundestagspräsidenten am 26. Oktober 1998 fest, sei "ein Ostdeutscher in eines der hohen Ämter der gemeinsamen Republik gewählt" worden. Dies empfand er als Ausdruck der "inneren Vereinigung", für die er sich seit jeher eingesetzt hatte. Während seiner siebenjährigen Amtszeit zog der Bundestag in die neue Hauptstadt Berlin um. Thierse hatte sich leidenschaftlich dafür eingesetzt. Das Amt des Bundestagspräsidenten nutzte er, um die Aufmerksamkeit auf den Aufbau Ostdeutschlands und auf Projekte gegen den Rechtsextremismus zu lenken. Der gebürtige Breslauer, der in Thüringen aufgewachsen war, setzte sich auch für die Errichtung des 2005 eingeweihten "Denkmals für die ermordeten Juden Europas" ein. Der CDU-Spendenskandal fiel ebenfalls in seine Amtszeit; gemäß des Parteiengesetzes verpflichtete Thierse die CDU zur Zahlung hoher Strafen.
Der studierte Literaturwissenschaftler war 1990 der Ost-SPD beigetreten und von 1990 bis 2005 stellvertretender Parteivorsitzender der Sozialdemokraten. Wolfgang Thierse, seit 2005 Vizepräsident des Bundestages, feiert am 22. Oktober seinen 65. Geburtstag. Kata Kottra