PRAKTIKA
Stufe auf der Karriereleiter oder aussichtslose Sackgasse? Wer bei Unternehmen reinschnuppert, sollte zumindest einen kleinen Lohn erhalten. Worauf man achten sollte
"Ich habe ein Praktikum!" freut sich die 25-jährige Jana, die gerade ihr Studium erfolgreich abgeschlossen hat. Sie ist froh, immerhin sei das "besser als nichts", sagt sie. Ihre Freunde sehen das nicht ganz so optimistisch: Das sei doch nur typisch für die Generation Praktikum, sie werde da doch nur ausgenutzt und sowieso nicht übernommen, meckern sie.
Möglicherweise haben sie damit nicht Unrecht. Was früher als willkommene Möglichkeit zum Kennenlernen eines Berufs galt, ist heute fast in Verruf gekommen. Denn der Begriff "Praktikum" steht mittlerweile auch für schlechte oder gar keine Bezahlung und erst recht keine Aussicht auf Anstellung - trotz hoher Qualifikation. 40 Prozent aller Hochschulabsolventen machen nach ihrem Studium zunächst ein Praktikum. Durchschnittliche Dauer: sechs Monate. Die Hälfte arbeitet unbezahlt.
Im Umkehrschluss kann das allerdings nicht heißen, von Praktika abzuraten. Swen Schulz (SPD), der sich im Bundestag für Rechte von Praktikanten einsetzt, ist der Meinung, das Lernverhältnis "Praktikum" sei auch heute noch sinnvoll: "Junge Menschen erhalten die Möglichkeit, sich in einen Beruf hineinzudenken. So können sie sich zusätzlich qualifizieren, für ihre Karriere sorgen."
Doch was bringt es jungen Menschen, wenn sie bei Praktika ausgenutzt werden? "Genau das ist das Problem. Viele Unternehmen bieten nämlich gute Praktika an. Aber es gibt aber auch schwarze Schafe, die das Praktikantenverhältnis missbrauchen, um Vollzeitarbeit billig erledigen zu lassen", sagt Schulz. Vorsichtig werden sollte jeder Praktikant, sobald das Lernen nicht im Mittelpunkt steht. Das kann in Extremfällen sogar soweit gehen, dass ein Praktikant sozialversicherungspflichtige Arbeit ersetzt. Das ist aber inzwischen verboten und rechtlich verfolgbar. Das Problem: "Der Praktikant muss nachweisen, dass es sich nicht mehr um ein Lernverhältnis handelt", sagt Schulz. Bekommt der Praktikant Recht, muss der Arbeitgeber Lohn und Sozialversicherung nachzahlen. Obendrauf kommt noch eine individuelle Strafe.
Auch der Volkswirtschaftler Ekkehart Schlicht von Universität München hat den Eindruck, dass immer mehr sozialversicherungspflichtige Stellen durch Praktika ersetzt werden. Dieser Missbrauch wundert ihn nicht: "Die Firmen kriegen die guten Praktikanten für wenig Geld."
Außerdem sind deutsche Schulabgänger zu "gut" geworden: "Wir hatten in den vergangenen Jahrzehnten eine enorme Bildungsexpansion. Die Zahl der Abiturienten ist fast um das Dreifache gestiegen. Nicht aber die Zahl der Stellen, die diese Ausbildung erfordern", sagt Schlicht. Er ist überzeugt, dass deswegen viele Jungakademiker Praktika unter ihrem Niveau annehmen. Doch das bringt die jungen Erwachsenen nicht weiter. "Hier geht es um eine wirtschaftliche Fehlentwicklung und es ist Aufgabe der Politik, dieser entgegen zu steuern", fordert der Ökonom. Versucht wird in der Politik momentan schon so einiges. Swen Schulz hat mit seiner Partei zum Beispiel ein Positionspapier erstellt. Praktikanten, die sich von ihrem Arbeitgeber ausgenutzt fühlen, soll die Klage erleichtert werden. "Wir wollen einen Praktikantenvertrag und die Beweislast umkehren. Klagt der Praktikant auf Bezahlung, müsste dann der Praktikumsgeber nachweisen, dass es sich wirklich um ein Lern- und eben kein Arbeitsverhältnis handelte - und nicht anders rum!" Die Hoffnung dahinter: die Arbeitgeber abzuschrecken, Praktikanten auszunutzen, und den Praktikanten so den Rücken stärken.
Schulz und Schlicht haben aber einen Tipp, wenn es darum geht, ein gutes Praktikum ausfindig zu machen: Ein kleiner Lohn sollte schon geboten werden. "Ich wäre sonst immer skeptisch. Wenn jemand nicht bereit ist, mich ordentlich zu bezahlen, ist dies ein Signal, dass er an einer Weiterbeschäftigung nicht interessiert ist - und entsprechend auch weniger Interesse an meiner Ausbildung hat", sagt Schlicht.