FRANKREICH
Der Journalist Jean-Paul Picaper zeigt sich höchst angetan von Präsident Nicolas Sarkozy und seiner Politik
Im Licht der Philosophie des "Elan vital", des schöpferischen Antriebs, seines Landsmannes Henri Bergson erstrahlen politisches Leben und Karriere des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy. Nüchtern, aber durchaus mit Bewunderung, faktenreich und präzise erzählt Jean-Paul Picaper, langjähriger Deutschland-Korrespondent des "Figaro", das ereignisreiche Leben des Nicolas Paul Stéphane Sarközy de Nagy-Bocsa. Er wurde am 28. Januar 1955 in Paris als dritter Sohn einer ungarisch-griechischen Immigrantenfamilie geboren. Um es vorweg zu sagen: Es handelt sich um eine beispiellose politische Karriere, wie sie früher wohl nur in den USA möglich war. Der soziale Aufstieg vom Immigrantenkind zum Staatspräsidenten.
Sein Vater Paul Sarközy de Nagy-Bocsa, ein Adliger ungarischer Abkunft, war nach 1945 über Österreich und Deutschland nach Frankreich geflüchtet. Völlig mittellos meldete sich Graf Sarközy 1947 zur Fremdenlegion. Eine Untauglichkeitsbescheinigung ersparte ihm den Einsatz im Indochina-Krieg. Später erwarb sich Paul Sarkozy in Paris viel Geld mit einer eigenen Werbeagentur. Seine Frau Andrée, Rechtsanwältin, Kind griechisch-jüdischer Immigranten, ließ er mit den drei Kindern sitzen und verheiratete sich neu.
Zum Jahreswechsel 2008 endete turnusgemäß der französische Vorsitz in der Europäischen Union. Wie kein anderer Ratspräsident vor ihm nutzte der agile Sarkozy diese herausragende "Temporärstelle", um weltweit die konzentrierte, wenn auch konstitutionslose Macht der 27 EU-Staaten zu präsentieren: Im Weißen Haus diskutierte er mit Präsident George W. Bush über den Afghanistan-Krieg, an der Wall-Street forderte er nach dem Bankencrash im Oktober 2008 "die Bestrafung der Schuldigen" und in Georgiens vom Krieg bedrohter separatistischen Provinz Süd-Ossetien platzierte er im Spätsommer 2008 rund 200 neutrale Beobachter aus den EU-Staaten, die den Waffenstillstand zwischen der ehemaligen GUS-Republik und Russland überwachen. In der Lesart Picapers konnte sich die EU außenpolitisch selten so gut positionieren wie unter diesem französischen Präsidenten.
Zweifelsfrei hat Sarkozy seine verbalen und vielzitierten "Kärcher-Attacken" auf junge Vorstadt-Immigranten aus dem Jahr 2005 unbeschadet überlebt. Drogen-Dealer hatten einen elfjährigen Jungen algerischer Herkunft auf der Straße eher zufällig erschossen. Innenminister Sarkozy kam sofort angeprescht, diktierte den anwesenden Journalisten seine geharnischte Meinung, man sollte mit Kärcher-Reinigungsmaschinen diesen Vorstadt-Mob ("racaille") wegkehren. Dies kostete "Speedy-Sarko", der im vornehmen Neuilly im Pariser Westend zu Hause ist, zwar einige Sympathien in seiner eigenen Partei, der neogaullistischen UMP (Union Pour un Mouvement Populaire). Doch eigentlich geschadet hat es ihm nicht.
Trotz der wochenlangen, nächtlichen, gewalttätigen Proteste von Immigranten-Kindern aus Frankreichs Vorstädten, die massenhaft Straßensperren, Busse und Autos anzündeten, wurde Sarkozy anderthalb Jahre später zum Staatspräsidenten Frankreichs gewählt. Im Mai 2007 gingen 82 Prozent der Franzosen zur Wahlurne - mehr als zuvor. Der Wahlsieg gegen die sozialistische Kandidatin Ségolène Royal fiel mit 54,5 Prozent für den 1,65 Meter "kleinen Nicolas" deutlich aus. Sarkozy grub damit auch der Rechtsaußen-Partei von Jean-Marie Le Pen das Wasser ab, der noch 2002 zum Duell mit Präsidentschafts-Kandidat Chirac antrat. Zum besseren Verständnis der Lage in Frankreich schenkt Buchautor Picaper der unterlegenen Kandidatin der PS (Parti Socialiste) Ségolène Royal, Anhängerin Francois Mitterrands, ein ganzes Kapitel.
Auch innenpolitisch sieht Picaper den neuen Präsidenten von Erfolg zu Erfolg eilen: Die staatlich festgelegte 35-Stunden-Woche wurde wieder abgeschafft. Wer mehr arbeiten wollte, wurde trotz anhaltender Arbeitslosigkeit mit Steuervergünstigungen oder in bar auszahlbaren Überstunden-Konten ermutigt, mehr als früher zu leisten. Die Rentenjahre wurden auf 41 Jahre erhöht. Trotz Streiks müssen die meisten Staatsbeamten der französischen Eisenbahn SNCF nach 2010 anstatt 37,5 Jahre ebenso lange einzahlen wie Beschäftigte der Privatwirtschaft. Nun sollen auch die Lehrer, die nicht gerade Spitzenverdiener sind, mehr arbeiten dürfen für mehr Geld. Dafür soll ihre Zahl peu à peu reduziert werden. All dies, so hoffen Frankreichs Wirtschaftsliberale, zu denen Präsident Sarkozy zählt, werde dazu beitragen, den Staatshaushalt zu sanieren und der bequemen, weit verbreiteten politischen Haltung "Der Staat muss es richten!" den Garaus zu machen.
Erfreut zählt Picaper noch viele Kämpfe und Siege des "nouveau Président Sarkozy" auf und der Leser wird des Lesens nicht überdrüssig. Sarkozys politische Aktionen und Ideen hätten Henri Bergson gefallen, denn der Philosoph propagierte die Bedeutung der Psychologie für den Menschen, dessen "schöpferische Entwicklung" und "mentale Stärke."
Nicolas Sarkozy und die Beschleunigung der Politik.
Gollenstein Verlag, Merzig 2008; 437 S., 24,90 ¤