HAUSHALT
Das zweite Konjunkturpaket soll zum Teil aus einem Schattenhaushalt finanziert werden
Linksfraktionschef Oskar Lafontaine müsste nur seine alten Bundestagsreden wieder aus der Schublade holen, wenn es um den Nachtragshaushalt 2009 und die Kreditaufnahme des Bundes geht. Es ist gerade zehn Jahre her, da trat ein Gesetz in Kraft, dass Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit zu schaffen versprach. 1999 führte die rot-grüne Koalition vom früheren Finanzminister Theo Waigel (CSU) geschaffene Schattenhaushalte wie den Erblastentilgungsfonds im Bundeshaushalt zusammen. Finanzminister war damals Lafontaine, allerdings noch mit SPD-Parteibuch. Ein Nachfolger im Ministeramt, Peer Steinbrück (SPD) greift jetzt wieder zum Mittel des Nebenhaushalts. Im "Investitions- und Tilgungsfonds" sollen bis zu 21 Milliarden Euro Schulden untergebracht werden. Das Geld soll der Ankurbelung der durch die Krise lahmenden Wirtschaft dienen.
Waigel hatte in seiner Bilanz 1998 einen Schuldenstand des Bundes von 488 Milliarden Euro stehen. Hinzu kamen 255 Milliarden in Extrahaushalten wie dem Erblastentilgungsfonds, in den Verbindlichkeiten aus der früheren DDR und Folgekosten der Wiedervereinigung gepackt worden waren. Als größter Brocken waren dort die Schulden der einstigen Treuhand in Höhe von 104,6 Milliarden Euro untergebracht worden. Insgesamt gab es jedoch keine Tilgung der Staatsschulden, sondern ein recht kontinuierliches Wachstum. Hatte Waigel 1998 noch 743 Milliarden Euro Schulden (488 Bund und 255 Extrahaushalte), so stieg die Gesamtsumme bis Ende 2007 auf 938 Milliarden Euro.
"Der Fonds soll den Rekord bei der Neuverschuldung verschleiern", ahnt FDP-Finanzexperte Carl-Ludwig Thiele. Seine Fraktion hat bereits einen Bundestagsantrag ( 16/11668, 16/11743) eingebracht, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, auf den Grundsatz der Haushaltswahrheit zu achten und daher auf die geplante Bildung des "Investitions- und Tilgungsfonds" zu verzichten. Der Fonds sei bedenklich, weil es sich dabei um einen Schattenhaushalt handele. Das verstoße gegen die Regeln der ordnungsgemäßen Haushaltsführung.
Die FDP-Fraktion erinnert an die 1999 erfolgte Eingliederung der Sondervermögen. Die Argumente für diese Maßnahme seien Transparenz, Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit sowie ein vereinfachtes Kreditmanagement des Bundes gewesen, erinnert die FDP-Fraktion. "Wenn der Bund zusätzliche Kredite über ein Sondervermögen aufnimmt, ist zudem zu befürchten, dass die ohnehin ,weichen' Verfassungsvorschriften zur staatlichen Kreditaufnahme an Wirkung verlieren", fürchtet die FDP-Fraktion. Angesichts der ständig steigenden Staatsverschuldung müsse die Nettokreditaufnahme in den Etats vollständig abgebildet und auf die Errichtung weiterer Sondermögen verzichtet werden, fordert die FDP-Fraktion.
Doch Steinbrück will sich Geld aus dem Sondertopf für eine ganze Reihe von Wachstumsmaßnahmen beschaffen. Dazu gehören Milliardenbeträge für Investitionen der öffentlichen Hand und zur Stärkung von Forschung und Konjunktur. So sind vier Milliarden für zusätzliche Bundesinvestitionen vorgesehen. Mit zehn Milliarden Euro sollen Investitionen von Ländern und Kommunen unterstützt werden. Das Programm zur Stärkung der Pkw-Nachfrage (Abwrackprämie) soll 1,5 Milliarden Euro kosten, das zentrale Innovationsprogramm Mittelstand 900 Millionen Euro und die Förderung der Forschung im Bereich Mobilität 500 Millionen Euro.
Die Summe von 16,9 Milliarden Euro will der Bund aus dem Fonds finanzieren. Dafür soll das Finanzministerium Kredite bis zu einer Höhe von 21 Milliarden Euro aufnehmen dürfen. Die anfallenden Zinsen seien darin enthalten, schreiben die Fraktionen von Union und SPD im Entwurf ihres zweiten Konjunkturpakets ( 16/11740). Die Tilgung dieses Sondervermögens soll ab 2010 durch den Teil des Bundesbankgewinns erfolgen, der über den für den Bundesetat vorgesehenen Betrag hinausgeht. Der Anteil des Bundesbankgewinns für den Haushalt, der derzeit mit 3,5 Milliarden Euro festgeschrieben sei, werde in den Jahren 2011 und 2012 um jeweils 500 Millionen Euro abgesenkt. Vorbild für diesen Fonds sei der Erblastentilgungsfonds, bei dem seit 1995 rund 34 Milliarden Euro aus dem Bundesbankgewinn zur Schuldentilgung eingesetzt worden seien. "Damit wird eine verlässliche Perspektive zur vollständigen Tilgung der Verbindlichkeiten auch dieses Sondervermögens in einem überschaubaren Zeitraum eröffnet", schreiben die Fraktionen.
Der von Steinbrück vorgelegte Nachtragshaushalt ( 16/11700) rechtfertigt eine Erhöhung der Neuverschuldung des Bundes gegenüber dem Etat 2009 um 18,3 Milliarden auf 36,8 Milliarden Euro mit einer "ernsthaften und nachhaltigen Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts". Die Ausgaben steigen von 290 auf 297,541 Milliarden Euro.