BESTANDSAUFNAHME
Was Bundesbürger nach 60 Jahren Parlamentarismus über ihr politisches System denken
"Vielfältig, grenzenlos und unüberschaubar": Diese drei Adjektive findet Heinz-Jürgen Lamsfuß für das politische System Deutschlands. "Das deutsche System bietet viele Möglichkeiten", findet er, "Das ist gut. Es ist für uns Staatsbürger aber auch sehr schwer, damit umzugehen." Man könne einiges verändern, wenn man eine große Aktivität an den Tag lege. "Bei den Abgeordneten habe ich allerdings manchmal den Eindruck, dass die ihr Portemonnaie viel zu ernst und ihre Aufgaben viel zu wenig ernst nehmen - das sollten sie ändern!"
Mehr politische Bildung fordert Ursula Köhne: "Schließlich ist Bildung Voraussetzung um an Demokratie teilzuhaben." Es sei eine große Chance, wenn man wie in Deutschland wählen gehen könne, ohne sein Leben zu gefährden. Mit ihrer Klasse hat die Lehrerin ihren Abgeordneten besucht. "Der ist super, und das weiß er auch", meint sie. Er würde den "direkten Draht" zu den Bürgern und vor allem zu den Schülern suchen. "Da müssten aber noch viel mehr Informationen viel direkter ankommen", sagt Ursula Köhne, "gerade jetzt in der Krise."
Rupert Stock weiß sehr konkret, was er am Deutschen Bundestag schätzt: "Das Verhältnis von Abgeordneten zu Bürgern stimmt." Auch das Grundgesetz allgemein findet er gut. Letztendlich werde aber "zu viel geredet und zu wenig gemacht", sagt er, "da kommt das Gefühl auf, dass man eigentlich gar nichts verändern kann." Die Abgeordneten sollten sich ihres Einflusses stärker bewusst werden, findet er. "Und manchmal wäre es ganz gut, wenn die Abgeordneten nicht so viel reden, sondern auch mal zuhören würden."
"Einerseits bewundere ich die Abgeordneten", sagt Barbara Gockel, schließlich würden die Abgeordneten einen harten Job machen. "Andererseits könnten die Abgeordneten ruhig mutiger sein und unbequeme Entscheidungen treffen, wenn sie notwendig sind." Die Unbeweglichkeit stört sie am deutschen Parlamentarismus am meisten. "Aber ich freue mich, dass wir unsere Volksvertreter so direkt wählen können." Und am liebsten hätte sie noch mehr direkten Einfluss: "Mehr direkte Demokratie, mehr Volksabstimmungen wären toll."
"An Deutschland gefällt mir, dass ich selber bestimmen und sehr direkt abstimmen kann", sagt Hartmut Schneider. Trotzdem mag er zu viele Wahlen gar nicht: "Wenn in den Ländern Wahl ist, dann ist auch auf Bundesebene Wahlkampf - da ist keine durchgehende Regierung möglich." Weniger Wahlen und weniger Bundesländer könnten dieses Problem lösen, meint er. Er könne nicht verstehen, aus welchem Grund die Diäten ständig erhöht würden: "Die Abgeordneten sind nicht präsent", findet er, "man sieht sie nie und weiß nicht, was sie machen."
Katharina Gies fällt sofort der Sozialstaat ein, wenn es um Deutschlands politisches System geht: "Gut ist, dass es Hartz IV gibt und arme Leute hier - im Gegensatz zu anderen Ländern -wenigstens ein Dach über dem Kopf haben." Überhaupt ist sie für mehr soziale Gerechtigkeit: "Ich würde eine höhere Steuer auf Dinge wie Schokolade und Zigaretten einführen." Diese Dinge brauche schließlich niemand zum Überleben. "Aber eigentlich möchte ich den Abgeordneten nicht reinreden, die haben es schon schwer genug."