NPD
Parlamente sind für die Partei nur ein Zwischenziel
Die Volksvertretungen sind für sie "Schwatzbuden", CDU, SPD, Grüne oder Linke die "Systemparteien". Die NPD will die parlamentarische Demokratie am liebsten abschaffen und sie durch eine "ethnisch homogene Volksgemeinschaft" ersetzen, in den Grenzen des Deutschen Reiches. Um das zu erreichen, glauben die Rechtsextremisten, müssen sie sich vorübergehend mit dem so verhassten System gemein machen - und so ist die NPD die einzige Partei in Deutschland, die mit dem erklärten Ziel in die Volksvertretungen einzieht, diese über kurz oder lang abzuschaffen: Der "Kampf um die Parlamente" ist Teil der langfristigen Strategie zur Machtübernahme. NPD-Abgeordnete sitzen in den Landtagen von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sowie in etlichen Kommunalparlamenten.
Gestalten wollen die rechtsextremen Mandatsträger weniger. Abschätzig sprechen sie vom "Hamsterrad" der Ausschüsse, in denen sie die Mitarbeit meist verweigern. Lieber nutzen sie die Plenarsitzungen als Bühne. Hier können sie ihren Anhängern Tatendrang demonstrieren und mediale Aufmerksamkeit für den inszenierten Skandal ist ihnen sicher. Etwa, wenn der sächsische NPD-Abgeordnete Jürgen Gansel die alliierten Luftangriffe auf Dresden als "Bombenholocaust" bezeichnet. Oder wenn der Schweriner Fraktionschef Udo Pastörs im Sinne der NS-Rassenhygiene darüber schwadroniert, dass die Gesellschaft zunächst "den Gesunden und Starken" fördern müsse.
Der Preis für die Provokation ist einkalkuliert: Das Internetportal "Endstation Rechts" dokumentiert für die Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern seit Herbst 2006 rund 200 Ordnungsrufe, mehr als zwei Dutzend Mal entzog das Präsidium Abgeordneten das Rederecht oder schloss sie von der Sitzung aus. Die Statistik erfüllt die Rechtsaußen mit Stolz: Ihre Fraktionszeitung trägt den Titel "Der Ordnungsruf". Rege macht die NPD von ihrem Antrags- und Fragerecht Gebrauch. Die sächsische Staatskanzlei beklagte unlängst die Flut "idiotischer bis sinnloser" Kleiner Anfragen aus den Reihen der Rechtsextremen. Mehr oder weniger subtil vermitteln diese in ihren Fragen und Anträgen ihren ideologischen Hintergrund.
In Mecklenburg-Vorpommern registriert der SPD-Abgeordnete Mathias Brodkorb eine zunehmende Radikalität in der parlamentarischen Sprache der NPD. Der Mitbegründer von "Endstation Rechts" verweist auf einen geschichtsverfälschenden, antisemitischen Antrag vom November vergangenen Jahres: Darin schob die Partei die Verantwortung für die Novemberpogrome von 1938 in unverblümter Nazi-Argumentation den Juden zu. "Die Grenzen werden neu ausgelotet", sagt Brodkorb.
Dabei versuchen die anderen Parteien, der NPD wenig Raum für die Zurschaustellung ihres braunen Gedankengutes zu geben. In Dresden und Schwerin gilt ein "Konsens der Demokraten": CDU, SPD, Grüne und Linke stimmen sich ab, wer Reden und Anträge der Rechtsextremen kommentiert. Man hat Lehren aus der anfänglichen Ratlosigkeit im sächsischen Landesparlament gezogen: Dort hatte die NPD zu Beginn der Legislaturperiode mehrfach Stimmen aus dem demokratischen Lager für sich gewonnen. Jetzt soll es den Parlamentsfeinden so schwer wie möglich gemacht werden, das parlamentarische System von innen zu sabotieren.
Vielleicht allerdings müssen sich die NPD-Politiker bald freiwillig aus den Parlamenten zurückziehen - der Partei droht der finanzielle Ruin.
Der Autor ist Politik-Redakteur bei "SpiegelOnline".