WDR EUROPA FORUM
Journalisten und Politiker diskutierten im Bundestag über Europas Zukunft
Leicht hat es die Europäische Union derzeit wahrlich nicht: Der Lissabon-Vertrag muss vor seiner Ratifizierung noch drei Hürden überwinden - Tschechien, Irland und das deutsche Bundesverfassungsgericht. Zugleich hat die Wirtschafts- und Finanzkrise den 27 Mitgliedsländern gravierende Probleme beschert. Lösungen scheint die Mehrheit der knapp 500 Millionen EU-Bürger indes aus Brüssel nicht zu erwarten. In manchen EU-Staaten prognostizieren Umfragen den Europaparlamentswahlen am 7. Juni eine Beteiligung von lediglich 20 Prozent.
Und dennoch: Europa stünde ohne die EU derzeit erheblicher schlechter da. "Die derzeitige Krise ist ein globales Phänomen, das von einzelnen Staaten nicht bekämpft werden kann", betonte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) beim WDR-Europa-Forum, einem Gedankenaustausch von Politikern und Medienexperten im Bundestag.
"Zuweilen sehr leichtfertig" sei in den vergangenen Monaten mit dem Begriff Krise umgegangen worden, kritisierte Lammert. Dabei habe Europa in seiner Geschichte schon viel größere Krisen erfolgreich überwunden, betonte er und mahnte an, in der Debatte "nicht zu dramatisieren und nicht zu verharmlosen". Augenmaß gelte es auch beim nun aufkeimenden Ruf nach einem starken Staat zu halten. So schön es sei, dass Politik nun wieder als stabilisierender Faktor wahrgenommen werde, so wenig dürfe der Staat jetzt zum Retter aller Probleme aufgeblasen werden.
So waren es zwei Themen, die das Forum prägten: Die Krise der europäischen Verfassung und die Frage, welche Rolle die EU bei der Bekämpfung der globalen Wirtschaftskrise spiele kann. Dass Europa nicht noch härter getroffen sei, habe es auch der gemeinsamen Währung zu verdanken, betonte der Präsident des EU-Parlaments Hans-Gert Pöttering (CDU). Auch die soziale Marktwirtschaft zeige in diesen Zeiten ihre Stärke, fügte der aus New York zugeschaltete Leiter des dortigen ARD-Studios Thomas Roth hinzu. In den USA seien die sozialen Folgen der Finanzkrise weit tiefgreifender.
Was aber bringt der Vertrag von Lissabon, um den derzeit so gerungen wird, eigentlich für die EU-Bürger? "Mehr Demokratie, auch auf nationaler Ebene", sagte Pöttering. Er zeigte sich zuversichtlich, dass der Vertrag die letzten Hürden nehmen werde. Seit 1979 sitzt er im Europäischen Parlament und hat erlebt, wie dieses seinen Einfluss kontinuierlich ausgeweitet hat. 1979 habe es keinerlei Gesetzgebungsbefugnisse besessen, heute sei das Parlament an 75 Prozent der Gesetzgebungsverfahren beteiligt. Etwas mehr Selbstbewusstsein sei durchaus angebracht, so der EU-Parlamentspräsident. "Das Parlament spielt zum Beispiel eine führende Rolle im globalen Kampf gegen den Klimawandel", sagte Pöttering. Wichtig sei es nun, das Vertrauen der Bürger in die Europäische Union zu stärken. Doch dazu müssten diese die komplizierten Mechanismen der EU zunächst verstehen - 60 Prozent tun dies laut einer ARD-Umfrage nicht. "Viele Dinge erreichen die Menschen nicht", gab der SPD-Parteivorsitzende Franz Müntefering zu bedenken. Seine EU- Begeisterung ist derweil ungebrochen, wie Müntefering in gewohnt prägnanter Weise bewies: "Europa gut, Deutschland gut, Glückauf."