INDIEN
Die vierwöchigen Parlamentswahlen gehen ihrem Ende zu. Bei Anschlägen kamen bereits Dutzende Menschen ums Leben
Die vierte Phase der einen Monat lang dauernden Parlamentswahlen in Indien ist am 7. Mai mit der Wahl in der Hauptstadt Neu-Delhi zu Ende gegangen. Damit hat der Großteil der insgesamt 714 Millionen Wahlberechtigten in der bevölkerungsreichsten Demokratie der Welt inzwischen seine Stimme abgegeben. Am 16. Mai wird bekannt gegeben, welche der zahlreichen Parteien die meisten Stimmen bekommen hat und mit der Regierungsbildung beauftragt wird. Dabei steht eines fest: Auch in der kommenden Legislaturperiode wird Indien von einer Mehrparteien-Koalition regiert.
Noch immer trauen sich selbst erfahrene Experten kaum, vorherzusagen, wer Indiens nächster Premierminister wird. Es ist durchaus möglich, dass eine der zahlreichen Regionalparteien, die zunehmend an Einfluss gewonnen haben, zum Zünglein an der Waage wird. Das könnte Kandidaten wie Mayawati Kumari, die Führerin der "Dalits" (früher die "Unberührbaren") an die Spitze bringen. Kumari ist voller Ehrgeiz, erste "unberührbare" Regierungschefin des Landes zu werden.
Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Amtsinhaber Manmohan Singh von der eher linken Kongresspartei oder sein Herausforderer Lal Krishna Advani von der hindu-nationalistischen BJP den Chefsessel in Neu-Delhi einnehmen wird. Beide konnten bisher allerdings nicht dazu beitragen, mehr Menschen am indischen Wirtschaftswachstum teilhaben zu lassen. Noch immer leben 30 Prozent der Inder unterhalb der Armutsschwelle. Doch die Zeiten, in denen die Armen und Unterdrückten ihr Schicksal geduldig hinnahmen, scheinen vorbei. Das mag auch die zahlreichen gewalttätigen Auseinandersetzungen während des Wahlkampfes erklären: Mehrere Dutzend Menschen kamen durch Anschläge maoistischer Gruppen ums Leben. So etwa im Bundesstaat West-Bengalen, wo es im vergangenen Jahr bereits gewalttätige Auseinandersetzungen um den Bau einer Autofabrik gegeben hatte, in der die Firma Tata das Billig-Auto "Nano" herstellen wollte. Die Proteste gegen angeblich ungerechte Enteignungen von Bauern gingen so weit, dass das Unternehmen den Bau der Fabrik abgeblasen hat. Während des Wahlkampfes legten Maoisten in mehreren Distrikten West-Bengalens Landminen, durch die mindestens zwei Menschen starben.
In den betroffenen sechs Distrikten gingen aus Angst nur 25 Prozent der Wahlberechtigten an die Urnen.