TELEKOMMUNIKATION
Reformpaket scheitert im Europaparlament an Allianz kleiner Parteien
Niedrigere Telefonkosten, drahtloses Internet in ländlichen Gebieten, ein schnellerer Anbieterwechsel - eine ganze Reihe von Vorteilen soll die geplante Mammut-Reform des EU-Telekommunikationsrechts den Verbrauchern bringen. Seit 2007 feilen die EU-Institutionen schon an den von Medienkommissarin Viviane Reding vorgelegten Entwürfen. Jetzt befand sich das Reformpaket auf der Zielgeraden - doch das EU-Parlament bremste es bei seiner Plenarsitzung am 6. Mai überraschend wieder aus. Ein einziges Detail war es, das den Abgeordneten sauer aufstieß. Es geht dabei um die Frage, wie mit Internetnutzern umgegangen werden soll, die sich Musik oder andere Daten herunterladen, aber dafür nicht bezahlen wollen. Die französische Regierung hatte scharfe Maßnahmen gegen solche Urheberrechts-Sünder verlangt. Ihnen sollte im Wiederholungsfall der Internetzugang gesperrt werden - und zwar in bestimmten Fällen auch ohne richterliche Anordnung.
In informellen Verhandlungen hatten sich Vertreter des Parlaments und des Ministerrats schon auf eine solche Maßnahme geeinigt. In der entscheidenden Plenarsitzung aber ging der Plan nicht auf. Stattdessen setzte sich eine bunte Allianz kleiner Parteien - Liberale, Grüne, Linkspartei und andere - gegen die beiden Großfraktionen EVP-ED und SPE durch. Sie beharrten darauf, dass ein richterlicher Beschluss für die Sperrung eines Internetzugangs Bedingung sein müsse. Da es sich schon um die zweite Lesung handelte, beginnt damit mit einiger Wahrscheinlichkeit im Herbst ein zähes Vermittlungsverfahren zwischen Parlament und Regierungen - es sei denn, letztere geben den Forderungen der Parlamentarier doch noch nach, möglicherweise beim EU-Rat am 12. Juni.
Die Kleinparteien feierten ihren Triumph euphorisch. Von einem "wichtigen Sieg für den Rechtsstaat, die Grundrechte und für die Internetfreiheit" sprachen die Abgeordneten der Grünen Rebecca Harms und Helga Trüpel. Lange Gesichter gab es auf der anderen Seite: So nannte die CSU-Abgeordnete Angelika Niebler die Haltung des Parlaments "unverantwortlich" und sprach von einem "Rückschlag für den Aufbau der Breitbandnetze".
Medienkommissarin Reding nahm die Niederlage dagegen gefasst auf. Ihrer Ansicht nach sind die Einwände des Parlaments berechtigt. Der Änderungsantrag des Parlaments sei "eine wichtige Bekräftigung der Grundrechte der EU-Bürger", erklärte Reding. Die Luxemburgerin rief die EU-Regierungen auf, sich "mit großer Umsicht" mit dem Änderungswunsch zu befassen, "damit eine Einigung über diese wichtige Reform noch in den nächsten Wochen zustande kommt".