KINDERPORNOGRAFIE
Koalition will Internetseiten sperren. Opposition sorgt sich um Grundrechte
Aus Sicht der FDP handelt es sich um einen "Etikettenschwindel". Nach Meinung der Linksfraktion wird ein "löchriger Sichtschutz geschaffen" und die Grünen bemängeln den nichtbestandenen "Rechtsstaat-TÜV". Der von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen ( 16/12850) stößt bei der Opposition geschlossen auf Kritik. Union und SPD hingegen sehen in der Vorlage zwar "kein Allheilmittel, aber einen wichtigen Baustein, um Kinder zu schützen und den Markt für Kinderpornografie, soweit es geht, auszutrocknen", wie es der Parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Hartmut Schauerte (CDU) in der Debatte am 6. Mai formulierte.
Laut Gesetzentwurf ist vorgesehen, Internetanbieter zur Sperrung von Seiten mit kinderpornografischen Inhalten zu verpflichten. Derartige Seiten soll künftig das Bundeskriminalamt (BKA) in einer laufend zu aktualisierenden Sperrliste aufführen. Wenn Internetnutzer versuchen sollten, diese Seiten aufzurufen, sollen sie zu einer Stoppmeldung umgeleitet werden. Dort werden sie auch über eine Kontaktmöglichkeit zum BKA informiert
Der Anbieter wiederum soll verpflichtet werden, dem BKA wöchentlich eine anonymisierte Aufstellung über die Zahl der Zugriffsversuche pro Stunde auf die in der Sperrliste aufgeführten Seiten zu übermitteln. In dem Entwurf ist ebenfalls geregelt, dass lediglich Seiten mit kinderpornografischen Inhalten gesperrt werden dürfen. "Eine Ausweitung auf andere Zwecke ist nicht beabsichtigt", heißt es in der Begründung.
Genau hier setzt die Kritik der FDP an. Das sei ein lobenswertes Ansinnen, sagte Innenexperte Max Stadler. "Allein uns fehlt der Glaube." Bei den heimlichen Onlinedurchsuchungen seien trotz anders lautender Bekenntnisse schon wenige Monate nach Verabschiedung des Gesetzes Forderungen nach einer "Ausdehnung der Regelung auf weitere Bereiche" erhoben worden. Stadler zweifelte auch die Wirksamkeit der Sperrungen im Kampf gegen die Verbreitung von Kinderpornografie an. "Es reicht nicht, nur den Zugang zu erschweren", kritisierte er und forderte: "Die Seiten müssen gelöscht werden."
Zweifel hat auch Jörn Wunderlich (Die Linke). Der Titel des Gesetzentwurfes suggeriere nur die Bekämpfung der Kinderpornografie. Tatsächlich seien die Sperren "wirkungslos". Ein im Internet kursierendes Video zeige, wie diese Sperren in kurzer Zeit umgangen werden können. Zudem bleibe die Sorge vor Zensur und Internetüberwachung. "Die Listen der zu sperrenden Seiten sind geheim und können nicht überprüft werden", bemängelte Wunderlich und verwies auf eine Petition beim Deutschen Bundestag, in der die Neuregelung abgelehnt wird, da sie das Grundrecht auf Informationsfreiheit gefährde. Diese Petition hatte am Abend des 8. Mai schon knapp 60.000 Unterstützer (siehe Seite 6).
Als "erschreckend" bezeichnete es Wolfgang Wieland (Bündnis 90/Die Grünen), dass der Umgang mit den Nutzerdaten einer Polizeibehörde überlassen werde. "Wer ist denn der Gesetzgeber? Ist es das BKA oder der Deutsche Bundestag?" Angesichts der geringen Effektivität der Maßnahmen müsse man sich umso genauer ansehen, wie viele Daten der "Gelegenheitskonsumenten" miterfasst würden. Es sei inakzeptabel, dass die Daten derjenigen, die "an dem Stoppschild stoppen" zu Zwecken der Strafverfolgung zur Verfügung stünden.
Die CDU-Familienpolitikerin Michaela Noll wandte sich energisch gegen "Verschwörungstheoretiker", die von "Zensur und chinesischen Verhältnissen" redeten. "Die Unterstellung, wir wollen etwas anderes als die Verfolgung der Kinderpornografie erreichen, ist für mich unerträglich", sagte sie. Noll räumte ein, dass die Sperren "technisch nicht perfekt" und auch nicht unumgehbar sind. Aber: "Wenn durch das Sperren von Internetseiten auch nur ein einziger Fall von sexuellem Missbrauch eines Kindes verhindert wird, dann hat es sich für mich gelohnt."
Dass die Koalition keine "Internetzensur" wolle, machte auch Martin Dörmann (SPD) deutlich. "Es geht um die Bekämpfung krimineller Handlungen in einem ganz besonders gelagerten Fall." Der Kampf für ein freies Internet werde nicht dadurch gewonnen, dass man die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte in Kauf nimmt. Eher bestehe die Gefahr, dass so auf Dauer "das Internet insgesamt diskreditiert wird". In den folgenden parlamentarischen Beratungen gelte es, klare Kriterien zu entwickeln, auch im Hinblick auf Datenschutz- und Verfahrensregeln, sagte Dörmann.
Im Rahmen dieser Beratungen werden die Parlamentarier auch auf den Sachverstand von Experten zugreifen. Der Wirtschaftsausschuss hat dazu für Ende Mai eine öffentliche Anhörung geplant.