DRESDEN
Die Unesco hat das Elbtal von der Liste der Weltkulturerbe gestrichen. Im Bundestag wird derweil über ein Bundesgesetz zur Umsetzung der UN-Konvention debattiert
Die Reaktionen kamen prompt. Kaum hatte die Unesco, die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, die Streichung des Dresdner Elbtals von der Liste des Weltkulturerbes bekannt gegeben, machten Bundestagsabgeordnete ihre Enttäuschung über den Bau der Waldschlösschenbrücke und das Ergebnis der Verhandlungen deutlich. Von einer "höchst bedauerlichen Streichung" war genauso die Rede wie von einem "schwarzen Tag für die Kulturnation Deutschland" und einem "hausgemachten Skandal". Nicht einig waren sich die Politiker jedoch, ob ein Debakel wie dieses künftig durch ein Umsetzungsgesetz zur Welterbe-Konvention verhindert werden könnte. Ein entsprechender Antrag der Grünen-Fraktion ( 16/13176) wird vermutlich am 2. Juli mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt werden.
Den Bau der vierspurigen Autobrücke über die Elbe hatte der Dresdner Stadtrat schon 1996 beschlossen. Im Juli 2004 erklärte die Unesco das Dresdner Elbtal zum Weltkulturerbe. Sie würdigte das Areal, einen knapp 20 Kilometer langen Flussabschnitt im Stadtgebiet von Dresden, als einen Kreuzungspunkt für Kultur, Wissenschaft und Technologie und als eine herausragende Kulturlandschaft. In dem Abschnitt liegen nicht nur zahlreiche Barockbauten aus dem 18. Jahrhundert, wie etwa der Zwinger mit den Gemäldesammlungen. Zur Landschaft gehören auch Schlösser und Villen sowie einige alte Dörfer. Weite Teile der Elbwiesen sind - aufgrund von Hochwassergefahr - unbebaut, weshalb das Dresdner Elbtal zu den schönsten Flusstälern weltweit zählt.
Diese Schönheit wird nach Ansicht der UN-Organisation durch die Brücke nun deutlich beschädigt, da diese in Sichtweite der Innenstadt gebaut wird. In den vergangenen Jahren gab es schon massive Warnungen. 2006 landete Dresden auf der Roten Liste der gefährdeten Welterbestätten, auf der sich hauptsächlich Orte befinden, die durch Kriege oder Naturkatastrophen beschädigt sind. Das Land Sachsen jedoch setzte weiter auf das Vorhaben, zumal ein Bürgerentscheid aus dem Jahr zuvor eine Mehrheit für den Brückenbau ergab. Von einer Aberkennung des Welterbetitels war zu diesem Zeitpunkt allerdings noch keine Rede. Der Rat der Stadt Dresden dagegen wurde aktiv: Er beschloss den Baustopp und versuchte sein Vorhaben gegen die Landesregierung sogar vor dem Bundesverfassungsgericht durchzusetzen - allerdings vergeblich. Im Juni 2007 beschloss die Unesco, Dresden eine weitere Schonfrist zu geben. Doch schon im November desselben Jahres begannen die Arbeiten für die Autobrücke.
Die kulturpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen zeigten sich angesichts dieser Vorgeschichte nicht überrascht von der Entscheidung der UN-Organisation. "Die Unesco konnte nicht anders handeln", sagte Monika Griefahn (SPD). Sie habe den Weltkulturerbestatus aberkennen müssen, "um ihre eigene Glaubwürdigkeit und den Wert der Auszeichnung nicht zu beschädigen". Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) beschuldigte unter anderem die Landesregierung, mit "Sturheit und Uneinsichtigkeit" die Entscheidung unvermeidbar gemacht zu haben. Lukrezia Jochimsen (Die Linke) nannte das Votum "eine Schmach für die so hoch gepriesene Kulturnation Deutschland". Auch Wolfgang Börnsen (CDU) sagte dieser Zeitung, er "bedauere die Entscheidung außerordentlich, aber der Bau war Bürgerwille". Seiner Meinung nach hätte die Unesco dem Wunsch stattgeben sollen, ein Jahr abzuwarten, um die Konsequenzen des Baus für die Landschaft wirklich einschätzen zu können.
Um ein Debakel wie dieses künftig zu verhindern, fordern die Grünen ein Umsetzungsgesetz, mit dem die Wirkung der UN-Konvention gestärkt wird. Da das Übereinkommen zum Völkervertragsrecht zähle und somit nicht als "unmittelbar innerstaatlich geltendes Recht" anzusehen sei, bedürfe es Änderungen etwa im Baugesetzbuch und im Flurbereinigungsgesetz.
Unterstützt werden sie in ihrem Anliegen von FDP- und Linksfraktion. "Die Entscheidung des Unesco-Welterbekomitees beweist: Ohne ein Ausführungsgesetz gibt es offenbar kein rechtliches Instrumentarium, um alle Länder und Kommunen zur Einhaltung der Konvention anzuhalten", sagte Hans-Joachim Otto (FDP). "Man hätte aus dem Dresdner Desaster lernen können - aber die Koalitionsparteien wollen nicht einmal das", klagte Jochimsen. Die Koalitionsfraktionen hatten am 17. Juni im Kulturausschuss gegen den Antrag gestimmt.
"Die Umsetzung der Konvention ist reine Ländersache", sagte Börnsen. Er würde jedoch einen Beschluss der Bundesländer über ein gemeinsames Vorgehen beim Welterbe befürworten. Die SPD-Fraktion kündigte an, in der nächsten Legislaturperiode zu prüfen, ob die Bestimmungen der Konvention "noch verpflichtender als bisher gesetzlich verankert werden können". So eindeutig, wie die Grünen es darstellten, sei die rechtliche Lage nicht.
Ob die Dresdner sich ein zweites Mal um die Aufnahme in die Welterbeliste bewerben, ist fraglich. Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) sagte, dies werde es nur geben, wenn die Bürger das Ansinnen unterstützten. Die Brücke aber soll auf jeden Fall weitergebaut werden.