PORTUGAL
Sozialisten verlieren bei Parlamentswahl die absolute Mehrheit, regieren aber weiter
Der offizielle Sieger der Parlamentswahlen in Portugal heißt zwar Jose Sócrates, aber zum Jubeln ist dem sozialistischen Regierungschef sicherlich nicht zumute. Bei den Wahlen am 27. September errang seine Partei nur noch 37 Prozent der Stimmen - also 96 der 230 Sitze - und verlor damit die absolute Mehrheit. Künftig müss Sócrates mit 25 Sitzen weniger regieren als bisher. Da ein Koalitionspartner nicht in Sicht ist, wird der 52-Jährige in Zukunft mit einer Minderheitsregierung sein Land führen müssen. Dabei steht Portugal, das ärmste Land Westeuropas, vor gewaltigen Herausforderungen: Die Arbeitslosigkeit beträgt 9,1 Prozent und das Staatsdefizit wird in diesem Jahr voraussichtlich 5,9 Prozent erreichen. Gleichzeitig wird erwartet, dass die Wirtschaft um rund vier Prozent schrumpft. Während seiner ersten Amtszeit hatte Sócrates bereits eine Reihe unpopulärer Maßnahmen wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer, einen Abbau von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst und eine Anhebung des Renteneintrittsalters durchgesetzt. Für solche einschneidenden Schritte dürfte ihm in Zukunft eine Mehrheit fehlen.
Sócrates stärkste Konkurrentin, die Spitzenkandidatin der Konservativen Manuela Ferreira Leite, hatte bereits vor der Wahl eine große Koalition mit den Sozialisten kategorisch ausgeschlossen. Ihre Partei, die Sozialdemokratische Partei (PSD), hatte bei der Wahl drei Mandate hinzugewinnen können und stellt jetzt 78 Abgeordnete. Damit konnten die beiden großen Volksparteien weniger als 70 Prozent der Wähler auf sich vereinigen.
Sichtlich verbessern konnten sich hingegen in Portugal die kleinen Parteien: Zur dritten Kraft wählten die Portugiesen das rechtsgerichtete Soziale und Demokratische Zentrum (CDS) mit 10,5 Prozent der Stimmen. Erhebliche Gewinne erzielte auch der Linksblock, der 9,85 Prozent der Stimmen erhielt. Das Bündnis von Kommunistischer Partei und Grünen (CDU) erreichte 15 Mandate (7,8 Prozent) und die rechtsgerichtete Volkspartei (CDS/PP) wird künftig mit 21 Abgeordneten im Parlament vertreten sein. Vier weitere Sitze sind für im Ausland lebende Portugiesen vorgesehen. Auch in Portugal wächst die Gruppe der Nichtwähler. Mit nur 60 Prozent erreichte die Wahlbeteiligung den tiefsten Stand seit dem Ende der Militärdiktatur 1974.
Zu möglichen Wahlbündnissen wollte sich Sócrates bislang nicht äußern. Momentan gibt es keine Signale, dass eine der Parteien mit ihm zusammen regieren möchte. Denn Sócrates, der sich selbst einmal als "wildes Tier" der Politik beschrieb, hat sich mit seinem strikten Reformkurs auch viele Feinde gemacht. Kritiker meinen, dass viele seiner politischen Entscheidungen eher zu einer Mitte-Rechts-Partei als zu den Sozialisten passen würden.
Auch mit der einflussreichen katholischen Kirche hat sich der Ministerpräsident angelegt. In seiner Amtszeit wurde die Abtreibung legalisiert und nach seiner Wiederwahl will er in Portugal die Homosexuellen-Ehe zulassen. Findet er keinen Koalitionspartner, muss Sócrates alleine regieren. Portugal hat bereits Erfahrung mit Minderheitsregierungen, allerdings hielt nur die Regierung von Antonio Guterres von 1995 bis 1999 eine ganze Legislaturperiode. Die neue Regierung hat aus verfassungsmäßigen Gründen allerdings die Chance, eineinhalb Jahre im Amt zu bleiben. Innerhalb der ersten sechs Monate nach der Wahl hat Staatspräsident Cavaco Silva nicht das Recht, das Parlament aufzulösen. Diese Regelung gilt auch sechs Monate vor der Präsidentenwahl, die in dem EU-Land im Jahr 2011 ansteht.