SCHLESWIG-HOLSTEIN
Der Koalitionsvertrag von CDU und FDP sieht erhebliche Stellenstreichungen im Landesdienst vor
Die Zeichen stehen auf Harmonie statt Krawall, wie ihn die Koalition aus CDU und SPD im Norden nicht selten veranstaltet hatten. Zuweilen sprechen die neuen Bündnispartner sogar von "Freundschaft". Union und FDP in Schleswig-Holstein haben ihren Koalitionsvertrag unterzeichnet. In nur einer Woche brachten die Unterhändler beider Parteien das 57-Seiten-Papier unter Dach und Fach.
Für Ministerpräsident und CDU-Chef Peter Harry Carstensen markiert der Vertrag eine "Koalition des Aufbruchs". Sein liberales Pendant Jürgen Koppelin denkt sogar schon über die nächste Wahlperiode hinaus. "Das ist ein Koalitionsvertrag für die ersten fünf Jahre." Nach Unterzeichnung des Vertragswerkes erhielt Carstensen ein gelbes Exemplar, Koppelin trug ein schwarzes Mäppchen heim.
Die Ziele, die sich das neue Bündnis gesteckt hat, sind ehrgeizig: Schleswig-Holstein soll "im kommenden Jahrzehnt einen Spitzenplatz im Wettbewerb der Länder und Regionen einnehmen" können, heißt es im Koalitionsvertrag. Die "deutschlandweit wirtschaftsfreundlichsten Rahmenbedingungen" sollen geschaffen werden. Schwerpunkt der Arbeit in der neuen Koalition soll die Bildungspolitik sein. Schulen erhalten mehr Eigenverantwortung und sollen entscheiden können, ob sie das Abitur am Gymnasium nach acht oder neun Jahren vergeben. Der Schul-TüV wird ebenso abgeschafft wie die Zwangseinschulung im Alter von sechs Jahren.
Und sparen will die Koalition: 5.600 Stellen, das wäre jede zehnte Stelle im Landesdienst, sollen bis 2020 wegfallen. Wo genau gestrichen wird, will eine Haushaltsstrukturkommission bis Mitte 2010 festlegen. Bürokratie soll abgebaut, Fesseln für die Wirtschaft sollen gelöst werden. Schon dadurch ließen sich brachliegende Investitionen von 500 Millionen Euro mobilisieren, glaubt FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki.
Klar ist auch, dass die neue Regierung keine weiteren Haftungsrisiken für die angeschlagene HSH Nordbank übernehmen wird. Bräuchte die Bank nach den Milliardenhilfen aus Hamburg und Schleswig-Holstein weiteres Kapital oder Garantien, müsste der Bankenrettungsfonds einspringen.
In der Energiepolitik setzen CDU und FDP darauf, dass Reststrom-Mengen von älteren auf jüngere Atomkraftwerke übertragen werden. Zuständig für die Reaktorsicherheit wird in Zukunft der Justizminister sein. "Atomaufsicht ist in erster Linie Rechtsaufsicht", sagte CDU-Fraktionschef Christian von Boetticher.
Prominente Köpfe im Kabinett wird es nach allem, was bisher bekannt ist, kaum geben. Bei der FDP gelten Ekkehard Klug (53) als Bildungs- sowie Fraktions- und Parteivize Heiner Garg (43) als Sozialminister als gesetzt. Offen ist noch der Name des Justizministers, den ebenfalls die Liberalen stellen werden. Für die CDU werden Jost de Jager (44/Wirtschaft, Wissenschaft und Verkehr) und Klaus Schlie (55/Inneres) als neue Minister genannt. Rainer Wiegard (60) bleibt Finanzminister, verliert aber die Zuständigkeit für die HSH Nordbank. Einzige Frau im Kabinett wird wohl Juliane Rumpf (CDU) sein. Die 53-jährige promovierte Agrarökonomin soll das Landwirtschaftsministerium übernehmen.
Am 24. Oktober winkten auch die Parteitage von CDU und FDP den Koalitionsvertrag durch. Drei Tage später will sich Carstensen im Landtag zur Wiederwahl stellen. Dort hat die Koalition eine Drei-Stimmen-Mehrheit gegenüber SPD, Linken und dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW).
Gegen die Sitzverteilung läuft eine Normenkontrollklage von Grünen und SSW. Beim Landesverfassungsgericht in Schleswig soll danach geklärt werden, ob drei "ungedeckte" Überhangmandate durch Ausgleichsmandate hätten kompensiert werden müssen. Das Landeswahlgesetz sieht eine Begrenzung des in der Verfassung vorgeschriebenen Ausgleichs vor. Ohne eine solche Deckelung hätte Schwarz-Gelb eine Stimme weniger als die übrigen Fraktionen. Zweifel müssen nun im Wahlprüfungsverfahren des Landtages und beim Landesverfassungsgericht geklärt werden.