Den Schulklassen, die auch in der sitzungsfreien Zeit in Scharen in den Reichstag strömen, bietet sich bei ihrem Herbstausflug ein illustres Bild: Statt Anzug oder Kostüm wird heute im Plenarsaal Handwerkerhose getragen. Sieben Männer sind zwischen den Stuhlreihen unterweg mit Schraubenziehern und Zollstöcken in der Hand oder gleich mit einer ganzen Werkzeugkiste unter dem Arm. In den Kabinen der Tonregie sitzen drei Mitarbeiterinnen der IT-Abteilung. Sitz für Sitz überprüfen sie, ob die Mikrofone der Abgeordneten funktionieren. Nur wenige Tage sind es noch bis zur konstituierenden Sitzung des 17. Deutschen Bundestages. Bis dahin muss jeder Stuhl und jeder Tisch an seinem Platz stehen und jeder Ton, der von den Volksvertretern gesprochen wird, ordentlich klingen.
Jeder neue Bundestag bringt auch eine neue Sitzordnung mit sich: Erstens gibt es wegen der Überhangmandate in jeder Legislaturperiode ein paar Abgeordnete mehr oder weniger. Zweitens sitzen die Mitglieder einer Fraktion zusammen, getrennt von den Sitznachbarn der angrenzenden Fraktionen. Und weil sich mit jedem Wahlergebnis auch die Fraktionsgröße verschiebt, rücken immer ein paar oder auch ein paar mehr Stühle nach links oder rechts.
Welche Partei wo genau sitzt, entscheidet vor der konstituierenden Sitzung am 27. Oktober der sogenannte Vorältestenrat, in dem der noch amtierende Bundestagspräsident sowie Vertreter aller Fraktionen sitzen. Das informelle Gremium, das nur bis zur Konstituierung des neuen Bundestages existiert, entscheidet unter anderem auch über die Anordnung der Stühle und Tische im Plenarsaal. Die ist nicht festgelegt, sondern kann je nach Wahlergebnis variieren. Welche Fraktion wie viele Plätze in der ersten Reihe bekommt, war auch in diesem Jahr nicht unumstritten. Das Ergebnis der Beratungen: Die begehrte erste Reihe im Plenarsaal, die man im Fernsehen besonders gut sieht, wird um einen Sitzplatz erweitert. 15 statt 14 Parlamentarier können nun ganz vorne sitzen.
"Zwei. Drei. Zwei. Sechs. Zwei." Stephan Masts Zeigefinger wandert behände durch die Luft, als er erklärt, wie die Plätze künftig verteilt sind. So sieht die erste Reihe von links nach rechts aus: Zwei Plätze bekommt Die Linke; drei die SPD, die auf zwei vordere Plätze verzichten muss. Auch FDP und Grüne bekommen je zwei Vorderplätze. Den mit Abstand größten Block bildet die CDU/CSU mit sechs Sitzen in der ersten Reihe. Hinter der ersten Reihe versammeln sich die Fraktionen - und auch die nicht irgendwie: Im Idealfall soll sich das Wahlergebnis durch die Reihen widerspiegeln. "Bis alles passt und an seinem Platz ist", sagt Stephan Mast vom Referat Hochbau und Bauplanung, "das dauert schon ein paar Tage. Aber keine Sorge: Bis Dienstag sind wir fertig." Das An- und Abschrauben der Stühle und Tische macht dabei nicht die meiste Arbeit. Außer Tischlern und Handwerkern sind sechs Mitarbeiter der IT-Abteilung in diesen Tagen im Einsatz. Die ersten sechs Reihen des Plenarsaals sind mit Mikrofonen und Schalttableaus - mit denen man beispielsweise den Plenarsaal-Boten rufen kann - ausgestattet. Wenn einer der 116 Tische umzieht, müssen auch die in ihren Beinen verlaufenden Kabel neu verlegt und die Akustik muss überprüft und neu eingestellt werden. Das Feintuning der Akustik ist so komplex, dass es nur nachts durchgeführt werden kann: Wenn keine Besucher im Haus sind und absolute Stille herrscht, werden die Tontechniker den Plenarsaal noch einmal einem abschließenden Soundcheck unterziehen.
Wenn die Abgeordneten am 27. Oktober erstmals Platz nehmen, wurde also schon so manches für sie gerichtet. Im Vergleich zu dem, was Stephan Mast und seine Kollegen im Mai erlebt haben, ist der derzeitige Umbau aber eher ein Kleinauftrag: Zur Bundespräsidentenwahl musste schließlich für einen Tag die gesamte Bundesversammlung im Plenarsaal Platz finden: Mehr als 600 Menschen mehr als dort normalerweise sitzen. Fünf Monate später sind zumindest alle noch gut in Übung.