Abgeordnete und ihre Berufe: Lena Strothmann (CDU/CSU)
Dolmetscher und Förster, Damenschneiderin und Winzer - die Abgeordneten im Bundestag kommen aus ganz verschiedenen Berufen. Die am häufigsten vertretene Berufsgruppe bilden mit 23 Prozent die Juristen. Der Rest der insgesamt 612 Abgeordneten hat in 121 anderen Berufen und Berufungen Erfahrungen gesammelt. Eine kleine Vorstellungsrunde ...
Als Lena Strothmann eine Lehre zur Damenschneiderin absolvierte, entwarf sie die Kleider, die sie nähte, viel lieber selbst - und schloss vor der Meisterprüfung noch ein Modedesign-Studium ab. In der Familie gab es bis dahin noch keine Handwerker: Der Vater war Kaufmann, die Mutter hatte Biologie studiert. Lena Strothmann, geboren 1952 im westfälischen Münster, arbeitete schließlich als Designerin, heiratete und bekam eine Tochter.
"Dann beschloss ich, mich selbstständig zu machen. Ich eröffnete mein eigenes Atelier, das ich später zusammen mit meinem Mann führte", berichtet Strothmann. Das war 1983, die wilden Modetrends der 80er-Jahre wurden natürlich auch in ihrem Atelier kreiert. "Mit Ledermode bin ich groß geworden", so die Designerin, "und mit dem Montana-Stil, mit den typischen übergroßen Schulterpolstern." Vor allem aber fertigte Lena Strothmann klassische Schnitte und Brautmode an. Und elegante Abendkleider, zum Beispiel für den Wiener Opernball und die Bonner Pressebälle.
Als Handwerksmeisterin wurde Lena Strothmann in Nordrhein-Westfalen Landesinnungsmeisterin. Außerdem wählte sie die Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld zur Präsidentin. 1997 wurde sie CDU-Mitglied, zwei Jahre später saß sie im Stadtrat von Gütersloh. "Dann hat mich die Bielefelder CDU gefragt, ob ich nicht für den Bundestag kandidieren möchte." Nach etlichen Familienkonferenzen fiel die Entscheidung für Berlin. Der Ehemann kümmerte sich fortan überwiegend allein um den Familienbetrieb.
2003 zog Lena Strothmann in den Deutschen Bundestag ein. Der Wechsel in die Bundespolitik fiel ihr nicht schwer. "Schließlich sind die Betriebe tagtäglich mit den Auswirkungen der Gesetze konfrontiert", so Strothmann. Etwas gewöhnungsbedürftig dagegen sei das lange Sitzen am Schreibtisch oder im Ausschusssaal gewesen, einschließlich der dicken Papierberge, die bewältigt werden mussten. "Vor allem juristische Texte sind oft sehr kompliziert und schwer verständlich."
Wenn es aber im Wirtschaftsausschuss um die Konsequenzen eines Beschlusses für kleine und mittelständische Unternehmen geht, kann die Quereinsteigerin aus eigener Erfahrung sprechen. "Durch meine ehrenamtliche Arbeit als Präsidentin der Handwerkskammer habe ich heute noch ständig mit Kollegen aus der gesamten Handwerksfamilie zu tun. Ich kenne ihre Sorgen und Nöte." Deswegen gründete sie 2006 in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion die AG Handwerk.
Lena Strothmann macht sich stets ein eigenes Bild von der Arbeitswelt der Handwerker, zum Beispiel beim Schornsteinfegergesetz, das vom Bundestag im Juni 2008 verabschiedet wurde. Als Berichterstatterin sprach sie mit allen Beteiligten, auch mit den Heizungs- und Sanitärhandwerkern.
Derzeit steht Lena Strothmann als einzige Frau an der Spitze des Deutschen Handwerks. Im Wirtschaftszweig Handwerk haben Frauen in der handwerklichen Ausbildung einen Anteil von zwanzig Prozent, die Meisterprüfung machen zehn Prozent und selbstständig tätig sind nur fünf Prozent. Das will die Handwerkskammerpräsidentin ändern, unter anderem mit dem Girls Day. "Ich versuche, die Aufstiegschancen des Handwerks darzustellen." Neben Politik und Handwerkskammer beschäftigt sich die Unions-Abgeordnete als Dozentin an einer Fachhochschule des Mittelstandes auch weiterhin mit Mode. Sollte sie eines Tages keine Politik mehr machen, möchte sie wieder als Stilberaterin arbeiten. Für Politiker vielleicht.