Nahostexperte Volker Perthes las aus seinem neuen Buch
Der Iran ist seit 2003 vor allem wegen seines umstrittenen
Nuklearprogramms in den Schlagzeilen. Die Vorstellung, der Iran
könnte über Atomwaffen verfügen und Drohungen des
iranischen Präsidenten Ahmadinedschad gegenüber Israel
verstärkten die Befürchtungen, sagte
Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Die Linke) zu Beginn der
gut besuchten Lesung. „Mir macht jede Atomwaffe Angst, egal
in welchen Händen sie sich befindet“, betonte sie.
Perthes sagte, schon die Bush-Administration habe ihren Iran-Kurs zuletzt graduell geändert und sei bereit gewesen, in multilateralen Gesprächsrunden mit dem Iran an einem Tisch zu sitzen. „Diese Veränderung wird sich fortsetzen“, so der Wissenschaftler. Ein US-Präsident, der gesprächsbereit sei, werde eine größere Legitimität haben, auch zu harscheren Mitteln zu greifen, wenn die Gespräche fruchtlos verlaufen.
Perthes plädierte dafür, den Iran ernst zu nehmen.
Für die USA und die Europäer komme es darauf an, den Iran
„richtig zu lesen“. Nach Meinung des Autors betreibt
der Iran durchaus eine rationale, logische Politik im Sinne seiner
eigenen Interessen. Seit die erste UN-Resolution zum
Nuklearprogramm verabschiedet wurde, habe der internationale Druck
auf das Land zugenommen. „Der Iran scheint sich bedroht und
unsicher zu fühlen“, so Perthes.
Eine „narrensichere Strategie“, um Konflikte zu lösen, gibt es aus Sicht des Politikwissenschaftlers nicht. Es gehe um Sicherheit für den Iran und um das internationale Vertrauen in die Absichten des Landes. Die Bevölkerung im Iran sei an nichts mehr interessiert als an einem guten Verhältnis zu den USA.
Trotz des „tiefen Misstrauens“ zwischen dem Iran und
den USA wird der Konflikt des Landes mit der internationalen
Gemeinschaft nicht ohne die USA gelöst werden können,
unterstrich Perthes. Der Iran verhandele nur deshalb mit der EU,
damit „Europa ihm die USA als Gesprächspartner
liefert“.
Einerseits müssten die „strategischen Ängste“ Irans reduziert werden, wobei die USA hier im Gegensatz zur EU etwas anzubieten hätten. Andererseits könnte der Iran mehr Vertrauen schaffen, in dem er mehr Transparenz über seine eigenen strategischen Optionen herstellt.
Zwar könne man gegenwärtig das Szenario eines regionalen
Krieges nicht ausschließen, doch sei es wahrscheinlicher,
dass der Nuklearkonflikt noch eine Weile ungelöst bleibt, der
Zustand gegenseitiger Blockade und Nichtkooperation anhält,
sagte Perthes. Der Iran könnte ein „Kuba im Nahen
Osten“ werden, ein Kuba mit „nuklearem
Brennstoffkreislauf“ allerdings.
Mit 70 Millionen Einwohnern sei der Iran neben der Türkei der größte Staat der Region, eine Regionalmacht mit gut ausgebildeter Bevölkerung und „so demokratisch wie Russland allemal“.
Auf das Parlament im Iran angesprochen sagte Perthes, dieses spiele
eine Rolle, es habe dem Präsidenten bereits den ein oder
anderen Minister „weggeschossen“. Die deutsch-iranische
Parlamentariergruppe habe einen Austausch mit einem Teil der Elite
des Landes. „Wir stützen uns auf eine Elite, die im
Norden Teherans wohnt", so Perthes, die etwa zehn bis 15 Prozent
der Bevölkerung repräsentiere. Mit der übrigen
Bevölkerung habe man nichts zu tun, wisse nicht, wie sie denkt
und wählt.