Gutachter Gerhard Schäfer sagte vor dem Untersuchungsausschuss aus
Die sehr weitreichende Observation des Publizisten Erich Schmidt-Eenboom bis in dessen „persönlichen Lebensbereich hinein“ durch den Bundesnachrichtendienst (BND) war aus Sicht Gerhard Schäfers rechtswidrig. Vor dem Untersuchungsausschuss bezeichnete der frühere Bundesrichter diesen Fall am Freitag, 30. Januar 2009, als gravierendstes Beispiel unter den Ausforschungsaktionen durch Pullach. Diese hatten sich gegen verschiedene Journalisten gerichtet. Schäfer hatte dazu als Sachverständiger für das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) einen Bericht verfasst, der im Mai 2006 veöffentlicht worden war.
Schäfer äußerte Verständnis, dass man beim BND
„bestürzt“ war über ein von Schmidt-Eenboom
1993 publiziertes Buch, das sich auch auf interne Informationen aus
Pullach stützt und in dem mehrere Geheimdienstler mit ihren
Klarnamen aufgeführt werden. Beim BND fürchte man wohl zu
Recht, von anderen Diensten vielleicht keine Nachrichten mehr zu
erhalten, wenn die eigene Einrichtung nicht mehr „als
dicht“ gelte.
"Observierung zu weitgehend"
Allerdings war die gegen den Autor gerichtete Observierung, die mit Unterbrechungen von 1993 bis 2003 währte, aus Sicht des Zeugen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit „zu weitgehend“. Schäfer kritisierte, man habe sich beim BND nicht genügend bemüht, hausintern den Verdacht zu überprüfen, dass sechs Mitarbeiter die Quellen Schmidt-Eenbooms gewesen sein könnten.
Der Ex-Bundesrichter erklärte, er habe bei seinen Recherchen
keine Anhaltspunkte gefunden, dass bei den Ausforschungsaktionen
gegen Journalisten auch Richtmikrofone eingesetzt und Telefone
abgehört wurden, wie dies Schmidt-Eenboom für seine
Person am 29. Januar vor dem Ausschuss behauptet hatte.
"Als V-Mann des BND eingestuft"
Laut Schäfer wird in seinem Bericht für das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) des Bundestags Schmidt-Eenboom weiterhin als V-Mann des BND eingestuft. Damit wies der Sachverständige die Aussage des Publizisten vor dem Ausschuss zurück, er habe vor Gericht die Löschung dieser Passage durchgesetzt.
Schäfer führte aus, Schmidt-Eenboom habe ein
„Gesprächspartner“ des Geheimdiensts sein wollen
und ein „sehr vertrauensvolles Verhältnis“ zu
einem BND-Mitarbeiter
unterhalten. Der Journalist habe jedoch „keine gravierenden
Dinge ausgeplaudert“ und nichts mitgeteilt, was
nachrichtendienstlich relevant gewesen sei.
"Heftig gewühlt und nachgefragt"
Medienmeldungen, wonach Pullach dem PKG-Sachverständigen Unterlagen vorenthalten habe, kommentierte Schäfer mit der Bemerkung, er habe „heftig gewühlt und nachgefragt“. Er habe darauf gedrungen, dass er durch Aktenübergabe und Befragungen von BND-Mitarbeitern umfassend unterrichtet werde. Es seien keine Papiere manipuliert worden.
Nach Auffassung des Zeugen wurden in Pullach Unterlagen nicht
bewusst vernichtet, doch sei manches wohl aus
„Nachlässigkeit“ gelöscht worden. Bei den
BND-Akten sei es
„kreuz und quer“ gegangen. Vermutlich wegen dieses
„ungeordneten Zustands“ sei er in den Papieren auch auf
die Ausforschung eines Journalisten gestoßen, dessen Fall
zuvor gar nicht bekannt gewesen sei.
Kontrollgremium will tätig werden
Am Rande der Sitzung des Untersuchungsausschusses kündigte Max Stadler (FDP) an, auch das PKG werde sich mit der Frage befassen, ob Schäfer Aktenmaterial vorenthalten hat und damit die Arbeit dieses Gremiums behindert worden sei. Stadler ist Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums.