Internationale Organisationen und die Krise Thema im Unterausschuss
Die Ursprünge der Wirtschaftskrise sind auf internationaler Ebene zu finden – und auch die Lösungen? Sieben Experten suchten am Mittwoch, dem 18. März 2009, in einer öffentlichen Anhörung des Unterausschusses "Globalisierung und Außenwirtschaft" nach den Lösungen, die die Geldströme wieder in Gang bringen. Das Gremium unter Vorsitz von Erich G. Fritz (CDU/CSU) ist ein Unterausschuss des Auswärtigen Ausschusses.
Das Thema der Anhörung lautete „Internationale
Organisationen als Bausteine von Global Governance unter besonderer
Berücksichtigung der Rolle des Internationalen
Währungsfonds (IWF) in Finanzmarktkrisen“.
Die vorgeschlagenen Lösungsansätze waren kontrovers, ebenso die Vorschläge, wie die Krise auf internationaler Ebene behandelt werden soll. Dabei kristallisierten sich zwei Richtungen heraus: Wenige Experten forderten neue internationale Strukturen, die anderen lehnten das kategorisch ab und plädierten dafür, die vorhandenen Organisationen zu stärken.
Die Gründe, warum die meisten Experten neue Institutionen
ablehnten, glichen sich. „Es ist ein großes Risiko,
alle Aufgaben der wirtschaftlichen Regulierung in eine Hand zu
geben“, betonte zum Beispiel Dr.
Rolf Alter, Stabschef des Generalsekretärs
der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (OECD). „Es ist besser, diese Aufgaben auf die
verschiedenen internationalen Organisationen
aufzufächern.“
Auch Prof. Dr. Christian Tomuschat, Hochschullehrer für Öffentliches Recht an der Humboldt-Universität in Berlin, lehnte eine neue internationale Organisation ab und forderte stattdessen eine bessere Abstimmung von IWF und Weltbank untereinander. Wie die anderen Experten auch schätzte er die Bildung einer neuen Institution als zu aufwendig und teuer ein.
Gleichwohl forderte er eine stärkere demokratische
Legitimierung internationaler Organe wie dem IWF. Das könne am
besten geschehen, indem man die Rolle der Nationalstaaten auf
internationaler Ebene stärke. Nachholbedarf sah er vor allem
bei den Schwellenländern, die auf dem Weg sind, zu den
Industrieländern aufzurücken: Diese seien nicht stark
genug eingebunden.
Wichtiger als eine Weltwirtschaftsregierung sei Subsidiarität, also die Lösung der Probleme auf lokaler Ebene. Dieser Einschätzung stimmte auch Dr. Heribert Dieter, Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Stiftung Wissenschaft und Politik zu: „Wenn man noch nicht einmal die Doha-Runde abschließen kann, wie soll dann Unterstützung für ein weltweites Regulierungsorgan gefunden werden?“
Die Doha-Verhandlungsrunde, benannt nach der Hauptstadt von Katar,
soll im Rahmen der Welthandelsorganisation die Bedingungen für
internationalen Handel festlegen und war an den Interessen der
einzelnen Nationalstaaten gescheitert, die weder Zölle noch
Subventionen aufgeben wollen. Im Endeffekt habe kein Land mehr als
ein rhetorisches Interesse an internationaler Regulierung, so
Dieter.
Doch nicht nur die Nationalstaaten bekamen von einigen der Experten ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Die Politikwissenschaftlerin und Schriftstellerin Dr. Susan George kritisierte auch den IWF scharf: Seine neoliberale Entwicklungspolitik habe zu gravierenden sozialen Missständen geführt.
Was sich ändern müsse, sei weniger die Struktur des IWF,
sondern vielmehr die politische Linie. Anstatt die IWF-Kredite an
Privatisierung und Gewinnmaximierung zu knüpfen, sollten
lieber die Arbeitnehmerrechte und Bildungsstandards verbessert und
ein effektiver Umweltschutz zur Bedingung gemacht werden, betonte
George.
Zwar forderte Prof. Dr. Susanne Lütz, die Internationale Poltische Ökonomie an der Freien Universität Berlin lehrt, keine ganz neue internationale Organisation, sie plädierte jedoch dafür, die so genannten G20 oder G24 (die großen Industrie- und Schwellenländer der Welt) zu institutionalisieren.
„Weil in den G24 mehr Staaten vertreten sind, erreicht man
eine bessere Repräsentation der Weltbevölkerung“,
sagte Lütz. „Das bedeutet aber auch, dass es mehr
unterschiedliche Meinungen gibt und die Entscheidungsfindung
komplizierter wird.“ Deswegen dürfen die G24 nicht
informell bleiben, sondern müssten einen festen Unterbau
bekommen.
Der einzige, der eine komplett neue Institution zur Lösung der Finanzkrise schaffen wollte, war Prof. Dr. Henrik Enderlein, der Politische Ökonomie an der Hertie School of Governance lehrt. Ein funktionierendes Frühwarnsystem sei bisher nicht umsetzbar, das habe die vergangene Krise bewiesen. Zwar hätten viele Experten gewarnt, das Ausmaß habe jedoch niemand begriffen.
Enderlein schlug daher die Gründung eines Internationalen
Sekretariats für Währungs- und Finanzfragen vor. Dieses
Sekretariat solle unabhängig von der Politik handeln, mit
Experten bestückt sein und von den zwölf wichtigsten
Wirtschaftsnationen gebildet werden.
Dr. Dirk Solte, Stellvertreter des Vorstands des Forschungsinstituts für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung, fand zum Schluss der Runde einen anderen Zugang: „Ich vergleiche die Finanzkrise gerne mit diesem Spiel ‚Reise nach Jerusalem’“, sagte er. Die Stühle entsprächen dem real verfügbaren Geld, die Mitspieler handeln mit Zahlungsversprechen. Es gebe mehr Geld, das nur als Zahlungsversprechen existiert als Geld, das real im Umlauf ist.
Das aktuelle Verhältnis sei eins zu 53, also kämen auf
einen Stuhl 53 Spieler. „Wenn die Musik spielt, akzeptieren
alle die Zahlungsversprechen – aber jetzt stellen Sie sich
vor, was passiert, wenn die Musik aufhört und sich nur einer
setzen kann!“ Derzeit gehe es darum, dafür zu sorgen,
dass die Musik wieder spielt.