Professoren beurteilten im Rechtsausschuss die Föderalismusreform II
Überwiegend auf Zustimmung, aber auch auf Kritik sind am Montag, dem 4. Mai 2009, die Grundgesetzänderungen gestoßen, die bei Bund und Ländern die Neuaufnahme von Krediten begrenzen sollen. In der gemeinsamen öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses des Bundestages und des Finanzausschusses des Bundesrates zur Föderalismusreform II sah Prof. Dr. Lars P. Feld ausHeidelberg in der avisierten Schuldenbremse den „richtigen Weg“ hin zu mehr Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik. Prof. Dr. Clemens Fuest, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats beim Finanzministerium, würdigte die Neuregelung als beeindruckenden Schritt wie aus dem wissenschaftlichen Lehrbuch und als großen Erfolg der Politik. Aus Sicht von Prof. Dr. Gustav Horn aus Düsseldorf verengt das Regelwerk hingegen bei einem Konjunkturabschwung die staatlichen Spielräume zum notwendigen Gegensteuern.
Nach den von CDU/CSU und SPD in Gesetzentwürfen (
16/12400,
16/12410) vorgeschlagenen neuen
Verfassungspassagen darf der Bund in normalen Konjunkturphasen von
2016 an Kredite nur noch in Höhe von 0,15 Prozent der
Wirtschaftsleistung zeichnen. Den Ländern ist von 2020 an gar
keine Neuverschuldung mehr gestattet.
Ausnahmen gelten für Abschwungphasen und zudem für Notsituationen wie die aktuelle Weltwirtschaftskrise oder Naturkatastrophen, wobei solche Kreditaufnahmen mit Tilgungsplänen verknüpft sein müssen. Fünf arme Länder sollen zwischen 2011 und 2019 Konsolidierungshilfen von 7,2 Milliarden Euro erhalten, um ihnen den Weg zur Nullverschuldung zu ermöglichen.
Für Professor Feld ist die Grundgesetzänderung effektiv
und lässt gleichwohl bei der Handhabung der Schuldenbremse die
nötige Flexibilität zu. Zu bemängeln sei indes, dass
den Ländern keine Steuerautonomie zuerkannt werde. Der Druck
zu einer solchen Reform wird nach Meinung von Prof. Dr.
Wolfgang Renzsch aus Magdeburg jedoch wachsen, da
strukturschwache Länder ansonsten ihre Probleme nicht
lösen könnten.
Nach Auffassung von Prof. Dr. Joachim Wieland aus Speyer wird die Schuldenbremse dazu führen, dass der Bund finanzschwache Länder mit mehr Geld unterstützen muss. Wieland kritisierte, dass die Föderalismusreform die Länder eigentlich habe stärken sollen. Jetzt aber werde deren Eigenstaatlichkeit durch die neuen Verfassungsauflagen zur Kreditpolitik zumindest gefährdet.
Dieser These widersprachen Prof. Dr. Ulrich
Häde aus Frankfurt an der Oder und Prof. Dr.
Peter Huber aus München: Die im Grundgesetz geplante
Schuldenbremse stelle die Eigenstaatlichkeit der Länder nicht
infrage.
Professor Fuest erklärte, nach den Erfahrungen innerhalb der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat die Einführung von Kreditbegrenzungen tatsächlich positive Erfolge gezeitigt. Renzsch sagte, die durch die Tilgungspflichten erzeugte Transparenz und der damit einhergehende „Rechtfertigungszwang“ würden in der Praxis eine schuldendämpfende Wirkung entfalten.
Mehrere Sachverständige wie etwa Professor Feld oder Professor
Huber bemängelten jedoch, dass der Stabilitätsrat, der
die Kreditpolitik von Bund und Ländern überwachen soll,
im Falle von Verstößen keine Sanktionen verhängen
könne: Dieses Gremium habe „zu wenig Zähne“,
so Huber.
Prof. Dr. Thomas Lenk aus Leipzig monierte, dass keine grundlegende Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen gelungen sei. Aus seiner Sicht geht von den neuen Grundgesetzbestimmungen keine stärker disziplinierende Wirkung als von den bisherigen Verfassungsvorgaben aus. Prof. Dr. Dr. Hans Meyer aus Berlin forderte, die Tilgungsauflagen strikter zu fassen.
Für Professor Horn ist es verfehlt, mit dem
„mechanischen Versuch“ der Kreditbremse das an sich
richtige Ziel zu verfolgen, der ausufernden Staatsverschuldung
entgegenzuwirken. Hätte man die jetzt geplante Politik schon
2001 bis 2004 praktiziert, so wären damals bei einem um 2,5
Prozent niedrigeren Wachstum rund 500.000 Arbeitsplätze
verloren gegangen. Als Alternative plädierte Horn dafür,
in Zeiten eines Konjunkturaufschwungs staatliche Ausgaben
stärker einzuschränken.
Prof. Dr. Stefan Korioth aus München sah die Gefahr, dass wegen der Kreditbegrenzung eine sinnvolle Schuldenaufnahme künftig möglicherweise unterbleibe. Der Sachverständige bemängelte, dass die Länder zwar durch den Bund auferlegte Aufgaben erledigen müssten, ihnen zu deren Finanzierung jedoch eine Neuverschuldung wie auch die Erhebung eigener Steuern untersagt sein sollen.
Verschuldung sei eine Frage „politischer
Entscheidungen“, betonte Professor Wieland, „nicht des
Verfassungsrechts“. Ungeklärt ist aus seiner Sicht, ob
die Kreditbegrenzung mit der „Notwendigkeit der
Konjunktursteuerung“ zu vereinbaren ist.