Innenausschuss befragte Sachverständige zum Thema Lobbyismus
Experten sprechen sich für eine gesetzliche Regelung des Übergangs ausscheidender Minister und Staatssekretäre in Unternehmen aus. Ein „freiwilliger Verhaltenskodex“, so ihre Einschätzung während einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses am Montag, dem 15. Juni 2009, reiche nicht aus.
Grundlage bildeten jeweils drei Anträge der Linksfraktion (
16/846,
16/9484,
16/8453) und der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen (
16/948,
16/8762,
16/13174) sowie ein Antrag der FDP-Fraktion (
16/677) zum Umgang mit Lobbyismus.Für eine
Karenzzeit von drei Jahren, die zwischen dem Ausscheiden aus dem
Dienst und der Aufnahme einer Tätigkeit, die in Zusammenhang
mit dem früheren Amt steht, sprach sich Jochen
Bäumel von Transparency Deutschland aus.
Vergleichbare Regelungen gebe es bereits für Beamte, Richter und Soldaten, sagte Bäumel. Nötig seien die Regelungen, da in der Vergangenheit Minister und Staatssekretäre nach ihrem Ausscheiden innerhalb kurzer Zeit in Unternehmen gewechselt seien, bei denen der Anschein nicht vermieden wurde, dass es einen Zusammenhang zwischen im Amt getroffenen Entscheidungen und der aufgenommenen Tätigkeit gibt.
Während es Beamten grundsätzlich untersagt werden kann,
bis zu fünf Jahren nach dem Ausscheiden eine solche
Beschäftigung aufzunehmen, gebe es bei leitenden Beamten, die
um ihre Entlassung ersucht haben, eine
„Regelungslücke“, sagte der Staatssekretär
a.D. Johann Hahlen, der frühere
Bundeswahlleiter und Präsident des Statistischen
Bundesamtes.
Auf das Problem der „herausgekauften“ Beamten verwies auch der Staatsrechtler Prof. Dr. Ulrich Battis von der Humboldt Universität Berlin. Wer ohne Ansprüche auf Versorgungsbezüge ausscheide, falle nicht mehr unter das Beamtenrecht. Daher sollte auch bei diesen Fällen eine Karenzzeit gelten. Dies sollte ausdrücklich nicht für parlamentarische Staatsekretäre gelten, die wie ganz normale Abgeordnete zu behandeln seien und ihren Beruf ausüben dürfen, sagte Battis.
Johann Hahlen sprach sich dafür aus, auch Minister, die nach ihrer Dienstzeit wieder als Abgeordnete tätig sind, nach Artikel 12 des Grundgesetzes die freie Berufswahl zu ermöglichen. Dem widersprach Prof. Dr. Hans Meyer von der Juristischen Fakultät der Humboldt Universität Berlin. Die Anwendung von Artikel 12 sei in diesem Falle eine „abenteuerliche Rechtskonstruktion“. Ehemalige Minister hätten eine besondere Dienstpflicht und seien daher auch gesondert zu behandeln. Meyer sprach sich auch gegen die von Battis geforderte unterschiedliche Behandlung von beamteten und parlamentarischen Staatssekretären aus. Beide müssten mit einer Karenzzeit von zwei Jahren belegt werden, sagte er.
Dass es derzeit eine Karenzzeitregelung in Deutschland nicht gebe, sei ein „deutscher Sonderweg“, sagte der Stern-Reporter Hans-Martin Tillack. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sei die Übergangsregelung umso wichtiger, je höherrangig ein Amtträger ist. In Deutschland sei dies genau anders herum, kritisierte Tillack.
Die Mehrheit der Sachverständigen befürwortete die
Einführung eines verpflichtenden Lobbyregisters. Die
Bürger hätten ein Recht zu wissen, welche Akteure in
welchem Interesse und mit welchem Budget Einfluss auf politische
Entscheidungen zu nehmen versuchen, sagte Heide
Klein von der Organisation Lobby Control. Aus Sicht von
Transparency Deutschland sollte es zukünftig
Ministerialbeamten untersagt sein, Gesprächstermine mit nicht
registrierten Lobbyisten wahrzunehmen.
Die Professoren Battis und Meyer sprachen sich ebenfalls für
ein verpflichtendes statt eines freiwilligen Registers aus und
machten deutlich, dass ihrer Ansicht nach sowohl die Definition als
auch die Abgrenzung von Lobbyisten keine Probleme bereiten
würden.