Vom 13. bis 17. November 2009 kommt im schottischen Edinburgh die Parlamentarische Versammlung der NATO (NATO-PV) zu ihrer Herbsttagung zusammen. Zu den mehr als 350 Teilnehmern aus mehr als 40 Ländern zählt auch die deutsche Delegation, die sich aus zwölf Bundestagsabgeordneten und sechs Mitgliedern des Bundesrates zusammensetzt. Geleitet wird die deutsche Delegation von Dr. Karl A. Lamers (CDU/CSU) und Staatsminister Volker Bouffier aus Hessen für den Bundesrat. Mit dabei ist auch Dr. Rainer Stinner (FDP), Vorsitzender des Unterausschusses NATO-Partnerschaften in der NATO-PV. Im Interview äußert er sich zu den Erwartungen der USA an ihre europäischen Partner, den Aussichten für einen Beitritt Georgiens zum Bündnis und zu möglichen neuen Kooperationsformen mit Nichtmitgliedern der Allianz.
Vor fast genau einem Jahr wurde Barack Obama zum
US-Präsidenten gewählt. Mit seinem Amtsantritt verbanden
sich gerade bei den Bündnispartnern hohe Erwartungen an eine
außenpolitische Neuausrichtung der USA. Wie fällt Ihre
vorläufige Bilanz in dieser Hinsicht aus?
Der Wechsel in der außenpolitischen Grundrichtung ist uneingeschränkt positiv. Ich merke selber bei Besuchen in Washington, wie sich die Atmosphäre geändert hat und wie viel stärker unsere amerikanischen Partner nun bereit sind zuzuhöre, und auf Vorschläge warten. Ich mache mir allerdings Sorgen, dass wir Europäer diese Chance noch nicht klar genug genutzt haben und unsere eigenen Vorstellungen nicht deutlich genug kommunizieren. Etwa beim Thema Afghanistan. Da warten jetzt alle auf die Entscheidung Obamas, wir sollten aber versuchen, auf diese Entscheidung Einfluss zu nehmen.
Neben Afghanistan gibt es eine Reihe weiterer Krisenherde, die die NATO unmittelbar berühren. Zum Beispiel Georgien, das Sie im Mai dieses Jahres als Leiter einer Delegation der NATO-PV besucht haben. Wie sehen Sie das Beitrittsbestreben Georgiens zur Allianz vor dem Hintergrund der Erfahrungen dieser Reise - auch mit Blick auf die starken Vorbehalte Russlands gegenüber einem solchen Beitritt?
Wir waren ja zu einem sehr interessanten Zeitpunkt dort, nämlich während des Höhepunkts der oppositionellen Proteste vor dem Parlament. Ich habe dort allen Gesprächspartnern klar gesagt, dass eine NATO-Mitgliedschaft nicht die Lösung für alle Probleme Georgiens ist. Georgien muss im politischen, sozialen und wirtschaftlichen Bereich noch riesige Anstrengungen machen. Das erwarten auch die Bürger dort von der Politik. Wir müssen die Position Russlands selbstverständlich mitbedenken, aber es ist auch klar, das Russland kein Veto-Recht in dieser Frage hat.
Das Verhältnis zwischen Georgien und der NATO wird auch auf der anstehenden Tagung in Edinburgh eine große Rolle spielen. Der Unterausschuss NATO-Partnerschaften, dessen Vorsitzender Sie sind, wird einen Bericht zu diesem Thema vorlegen. Welche Schlussfolgerungen werden darin gezogen?
Der Bericht ist sehr differenziert. Er stellt grundsätzlich klar, dass Georgien Mitglied der NATO werden kann, dies aktuell aber nicht auf der Tagesordnung steht und Georgien innenpolitisch noch viele Reformen umsetzen muss, bevor es die politischen Standards der NATO erfüllt. Er stellt ebenso klar, dass die NATO großes Interesse an einem stabilen und demokratischen Georgien hat und deshalb Georgien bei seiner Entwicklung unterstützen sollte. Alle diese Befunde teile ich.
Was steht noch auf der Agenda des Unterausschusses?
Neben Georgien wird die Ukraine ein wichtiges Thema sein. Wir müssen uns aber auch mit der Frage beschäftigen, wie wir mit Ländern wie Australien oder Japan umgehen, die keine NATO-Mitglieder werden wollen und sollen, die aber die Werte und Interessen der NATO in wesentlichen Punkten teilen und auch an NATO-Missionen etwa in Afghanistan teilnehmen. Hier müssen wir schauen, wie wir die Kooperation optimieren können.
Eine Mitgliedschaft dieser Länder in der Allianz steht aber nicht zur Debatte?
Es hat eine Zeit lang in der NATO die Idee von "Global NATO" gegeben, das war eben die Überlegung, Länder wie Australien oder Japan sollten NATO-Mitglieder werden. Davon ist inzwischen nichts mehr zu hören. Ich habe die Idee auch immer für falsch gehalten.
Seit 1955 begleitet die NATO-PV die Arbeit der Allianz auf parlamentarischer Ebene. Was schätzen Sie an der Arbeit in diesem Gremium, das eine rein beratende Funktion hat, besonders?
Mich interessieren immer sehr stark die Diskussionen mit den Kollegen aus anderen Ländern. Dabei wird mir immer die riesengroße Gefahr deutlich, dass wir in Berlin die Dinge nur aus unserer Binnensicht betrachten. Aber Nationen mit einer anderen Geschichte, mit anderen Erfahrungen, sehen vieles anders. Das ist mir sehr wichtig.