Die Bundesregierung soll die Bestimmung des "soziokulturellen Existenzminimums" nach dem Willen der Linksfraktion grundlegend reformieren. In einem Antrag ( 17/23) fordert die Fraktion die Bundesregierung zudem auf, die Bedarfsermittlung für Kinder und Jugendliche zu korrigieren und die regulären Zahlungen an die bedürftigen Personen dieser Altersgruppe ("Regelleistungen") deutlich anzuheben. Der Bundestag stimmt am Donnerstag, 17. Dezember 2009, nach halbstündiger Debatte gegen 16.45 Uhr über den Antrag ab. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat empfohlen, ihn abzulehnen ( 17/204).
Auch soll die Bundesregierung der Vorlage zufolge umgehend eine Kommission einberufen. Diese solle bis Ende 2010 den Grundsicherungsbedarf von Kindern und Jugendlichen, gegliedert nach Altersgruppen, ermitteln. Außerdem solle diese Kommission Vorschläge machen, wie die Zahlungen kontinuierlich an den Bedarf angepasst werden können.
Die Fraktion ruft die Bundesregierung auf, kurzfristig einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Regelleistungen für Kinder und Jugendliche in der Grundsicherung für die Übergangszeit entsprechend einer Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbands festlegt. Die Bedarfsermittlung des Verbands sieht für Kinder bis unter sechs Jahren 276 Euro vor, für Kinder von sechs bis unter 14 Jahren 332 Euro und für Kinder vom 15. Lebensjahr an 358 Euro.
Die Linksfraktion begründet ihren Antrag mit Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) sowie des Hessischen Landessozialgerichts. Beide hatten verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Ermittlung der Regelleistungen geäußert und das Bundesverfassungsgericht angerufen. Dieses hat nun abschließend über die Verfassungswidrigkeit zu befinden.
Das Bundessozialgericht hatte insbesondere kritisiert, dass der Gesetzgeber auf eine realitätsbezogene Bedarfsermittlung verzichtet habe. Mithin, so die Kritik des BSG, beruhe die Festsetzung der Regelleistung bei Kindern bis 14 Jahren "auf einer pauschalen und linearen Absenkung der Regelleistung für Erwachsene, die nachvollziehbare Bezüge zu den tatsächlichen Bedarfslagen von Kindern vermissen lässt".
Das Hessische Landessozialgericht war zu dem Schluss gekommen, dass das soziokulturelle Existenzminimum von Kindern und Jugendlichen unterschritten wird. Dies beeinträchtige "mit hoher Wahrscheinlichkeit" die Lern- und Bildungsfähigkeit der Kinder und führe zu deren sozialer Ausgrenzung.
Außerdem bemängelten die Richter, dass man sich bei der Ermittlung des Bedarfs nur auf Einpersonenhaushalte bezogen habe. Damit würde der Bedarf erheblich unterschätzt. Abschläge bei einzelnen Ausgabeposten seien nicht nachvollziehbar. Auch seien der Betreuungs- und Erziehungsbedarf von Kindern und Jugendlichen nicht berücksichtigt und der Gleichheitsgrundsatz mehrfach verletzt worden.
In ihrem Antrag verweist die Linksfraktion außerdem auf eine Forderung des Bundesrats vom November 2008, die Regelleistungen sowie die Regelsätze für hilfsbedürftige Kinder neu zu bemessen. Dieser Forderung habe die Regierung nicht entsprochen. Die Einführung eines jährlichen Schulbedarfspakets von 100 Euro und die Anhebung der Regelleistungen für Sechs- bis 13-Jährige im Zuge des Konjunkturpakets II hätten die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht zerstreut.