Die duale Berufsausbildung muss weiter gefördert werden. Darin waren sich bei der Debatte zum Berufsbildungsbericht der Bundesregierung ( 17/1550) am Donnerstag, 20. Mai, alle Fraktionen einig. Über den Weg dorthin und den aktuellen Stand der Dinge herrschte dagegen Uneinigkeit. CDU/CSU und FDP fordern in ihrem Antrag eine "Qualitätsoffensive“ ( 17/1435) in der Berufsbildung, auch SPD ( 17/1745) und Die Linke ( 17/1759, 17/1734) brachten eigene Anträge ein. Sie wurden zur weiteren Beratung an die Ausschüsse verwiesen.
SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke warfen der Regierung Schönfärberei und Konzeptionslosigkeit vor. Die Koalition sah darin "Schwarzmalerei“ und wies darauf hin, dass sich die Lage auf dem Ausbildungsmarkt wesentlich besser darstellt, als wegen der Wirtschaftskrise anzunehmen war.
"Wir haben allen Grund, selbstbewusst aufzutreten“, sagte Bildungsministerin Dr. Annette Schavan (CDU). Laut einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hätten junge Menschen in Deutschland im internationalen Vergleich das geringste Risiko arbeitslos zu werden. Grund dafür sei "das Flaggschiff“, nämlich die duale Berufsausbildung.
In den nächsten Jahren werde die demografischen Entwicklung die größte Herausforderung auf dem Ausbildungsmarkt sein. Nachwuchskräfte würden dann händeringend gesucht. Schavan kündigte an, die Regierung werde daran arbeiten, das Übergangssystem von Schule und Ausbildung "besser und konzentrierter“ zu gestalten, die Zahl der Altbewerber zu verringern und Jugendliche mit Migrationshintergrund zu fördern. "Wir sind in der beruflichen Bildung ein gutes Stück weitergekommen, aber wir dürfen uns nicht zurücklehnen“, sagte Schavan.
Willi Brase (SPD) begrüßte den Ausdruck "Flaggschiff“, betonte jedoch: "Wir müssen dafür sorgen, dass das Schiff auf Kurs bleibt.“ Derzeit fehle es nach wie vor an Ausbildungsplätzen. Die vorgelegte Statistik vernachlässige beispielsweise diejenigen, die in Übergangsmaßnahmen steckten.
Um allen Suchenden eine Ausbildung anbieten zu können, müssten ausbildungsfähige Unternehmen stärker zur Ausbildung angetrieben werden. "Da ist bislang nur wenig von der Bundesregierung gekommen“, sagte Brase. Zudem müsse die Koalition den "Maßnahmenschungel“ im Übergang von Schule und Beruf abschaffen, die Berufsvorbereitung und -orientierung verbessern und bei der Neuordnung der Berufsausbildung stärker mit den Sozialpartnern kooperieren.
Scharfe Kritik an der Regierung übte Agnes Alpers, Sprecherin der Linken für berufliche Aus- und Weiterbildung. Der Ausbildungsbericht sei "Zahlenschieberei“, die Berufsbildung "konzeptionslos“. In ihrem Antrag würden Union und FDP Maßnahmen beschließen, die gar nicht in ihrem Verantwortungsbereich lägen. So seien die Verringerung der Schulabbrecherquote und die Sprachförderung allein Ländersache.
Schon längst habe die Regierung der Berufsbildung eine "Zwangsdiät“ verordnet, es werde nicht in die Zukunft investiert. Die Linke fordere daher die Garantie des Rechts auf Ausbildung und eine Verpflichtung der Betriebe zur Ausbildungsumlage.
"Wie können Sie von Zwangsdiät sprechen?“, fragte Uwe Schummer (CDU/CSU) in Richtung Linke. Mit elf Milliarden Euro sei der Haushalt für Bildung und Forschung so hoch wie noch nie. Zudem sollten weitere Milliarden investiert werden. Deutschland sei nicht so schwach, wie die Opposition es reden wolle.
Tatsache sei jedoch, dass bereits Facharbeiter fehlen. "Und der Kampf um die Köpfe wird zunehmen“, sagte Schummer. Der Einzelne müsse daher früher in seinen Stärken gefördert werden, Sozialpartner wie Gewerkschaften müssten sich stärker am Ausbildungspakt beteiligen. Statt parteipolitischem Schimpfen seien nun inhaltliche und konzeptionelle Diskussionen gefragt.
"Die Schieflage auf dem Arbeitsmarkt kehrt sich um“, sagte auch Heiner Kamp (FDP). Seien früher Ausbildungsplätze gesucht worden, fehle es nun an qualifizierten Bewerbern. Dennoch stelle sich die Situation besser dar als erwartet.
Der Ausbildungspakt sei "ein voller Erfolg“ und in Zukunft solle ein weiterer Schwerpunkt auf Jugendliche mit Migrationshintergrund gelegt werden. "Genau so kann es weitergehen“, sagte er. Zudem sei es wichtig, die allgemeine schulische Bildung zu verbessern, die Zahl Schulabbrecher zu reduzieren und Schüler besser und individueller zu beraten.
Priska Hinz, bildungspolitischer Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, bescheinigte dem Ausbildungssystem "gravierende Mängel“. Es sei zu stark konjunkturabhängig, zu viele junge Leute stünden ganz ohne Berufsabschluss da. Die Konzepte der Koalition, wie zum Beispiel das Einsetzen von Bildungslotsen, wies sie als "undurchdacht“ zurück.
Stattdessen forderte sie eine Stärkung der Berufsbildungszentren, regionale Netzwerke und Erwachsenen-BAföG zur beruflichen Weiterbildung. Darüber hinaus müssten Bildungsketten schon im Kindergarten beginnen und Schulen stärker unterstützt werden. "Das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern muss aufgehoben werden“, forderte Hinz abschließend.