Von Sonntag, 30. Mai, bis Dienstag, 1. Juni 2010, findet in Madrid die 43. Tagung der Konferenz der Europaausschüsse der Parlamente der EU-Mitgliedstaaten (COSAC) statt. COSAC steht für "Conférence des organes spécialisés en Affaires communautaires" und findet seit 1989 halbjährlich statt. Der Delegation des Bundestagsausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Kommission gehören als Leiter der Ausschussvorsitzende Gunther Krichbaum (CDU/CSU) sowie die Abgeordneten Michael Stübgen (CDU/CSU), Heinz-Joachim Barchmann (SPD) und Jerzy Montag (Bündnis 90/Die Grünen) an. Zur Konferenz nach Madrid hat die spanische EU-Ratspräsidentschaft nach dem letzten Treffen im Oktober 2009 in Stockholm eingeladen. Im Interview äußert sich der Ausschussvorsitzende Gunther Krichbaum zu dem Treffen.
Was ist die Aufgabe der
COSAC?
Die COSAC ist ein Zusammenschluss in Form einer Konferenz aus den Europaausschüssen der nationalen Mitgliedstaaten. Das bedeutet für Deutschland, dass nicht nur Vertreter des Bundestages, sondern auch Vertreter des Bundesrates Teil der COSAC sind. Sie soll dazu dienen, gerade in den Europafragen, die die Parlamente beschäftigen, eine engere Kooperation und Vernetzung zu erreichen. Die Chance besteht darin, die Europapolitik stärker zu parlamentarisieren, da sie nach außen stark geprägt von den Regierungen der beteiligten Staaten ist.
Seit Dezember 2009 gilt der Vertrag von Lissabon, der den nationalen Parlamenten, aber auch dem Europäischen Parlament neue Befugnisse zugeteilt hat. Hat sich die Rolle der COSAC verändert?
Sie muss sich verändern, gerade da wir als nationale Parlamente aufgewertet wurden. Das bedeutet mehr Rechte, aber auch auf der anderen Seite mehr Verantwortung. Gerade in Fragen der Subsidiarität müssen wir uns enger miteinander koordinieren. Die Fragen müssen lauten: Was ist Rolle der nationalen Mitgliedstaaten, gerade in der Europapolitik? Was geht über deren eigene Kraft hinaus? Was bedarf einer europäischen Regelung?
Auf der Tagesordnung des anstehenden Treffens steht auch die künftige Rolle der COSAC nach dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages. In diesem Zusammenhang wird auch die Subsidiaritätskontrolle durch die nationalen Parlamente - als Folge des Lissabon-Vertrages - diskutiert. Nutzen denn Bundestag und Bundesrat ihrer Ansicht nach die neuen Mitsprache- und Kontrollrechte bisher angemessen?
Das ist in der Tat eine wichtige Frage. Wir ändern ja derzeit die Geschäftordnung des Bundestages. Es geht um Fragen der Federführung für die Erhebung von Subsidiaritätsklagen. Diese Debatte soll bis zur Sommerpause zum Abschluss gebracht werden. Durch den Vertrag und die Begleitgesetzgebung hat sich für den Bundestag viel geändert. Klar ist, dass sich da einiges neu ausjustieren muss. Ein deutlich zu verspürender Unterschied seit dem Lissabon-Vertrag ist die Frage der Herstellung des Einvernehmens zwischen Bundesregierung und Bundestag. Dafür hat es noch keine Blaupause in der Vergangenheit gegeben. Wir hatten zwar die Zusammenarbeitsvereinbarung, aber das ist durch die Begleitgesetzgebung in wesentlich verbindlichere Formen gegossen worden. Ich will zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, dass alles schon gut läuft. Dazu sind die Dinge zu frisch. Aber man kann festhalten, dass die Mitwirkungs- und Mitsprachemöglichkeiten des Bundestages sich nicht nur verändert haben, sondern dass der Bundestag diese auch beansprucht.
Was erwarten Sie noch von dem anstehenden Treffen in Madrid?
Auf der Tagesordnung stehen neben der künftigen Rolle der COSAC auch Zukunftsfragen der EU. Was uns aber gegenwärtig am meisten in Atem hält, nämlich die Finanz- und Wirtschaftskrise, kommt dort nur sehr allgemein vor. Das sehe ich kritisch. Es geht ja nicht darum, aus dem Treffen eine Wohlfühlveranstaltung zu machen. Diese Punkte gehören ausdrücklich auf die Tagesordnung, auch wenn das für einige möglicherweise nicht bequem ist.
Auch die Deutschen könnten dann aber in der Kritik stehen, angesichts des Vorpreschens in Fragen der Finanzmarktkontrolle. Muss Ihre Delegation damit rechnen, in Madrid dazu Rede und Antwort stehen zu müssen?
Das kann sehr wohl passieren, ist aber eben auch Chance dieser Konferenz. Man kann vor Ort viel mehr erklären. Wann haben wir denn eine bessere Gelegenheit, genau die Hintergründe dieser Entscheidungen aufzuzeigen, als gerade dann, wenn auch alle Kollegen aus den anderen Parlamenten zusammenkommen? Auf solche Nachfragen würde ich mich daher sogar freuen, da so Missverständnisse ausgeräumt werden können. Meine Erfahrung ist: Die Dinge offen anzusprechen, offen zu erörtern, ist besser, als wenn sie nicht auf der Tagesordnung stehen und man mit einem schlechten Gefühl von der Konferenz nach Hause reist. Dann würden die Potenziale solcher Zusammenkünfte nicht ausgeschöpft, was sehr schade wäre.
Herr Krichbaum - Sie als Vorsitzender des Europaausschusses: Machen Sie sich angesichts der derzeitigen Entwicklungen Sorgen um den Bestand der EU? Die Kanzlerin hat immerhin gewarnt: Scheitert der Euro, scheitert Europa…
Nein, die Gefahr eines Scheiterns sehe ich nicht. Europa hat schon ganz andere Krisen bewältigt. Bisher ging man immer gestärkt daraus hervor. Daher sehe ich auch hier die Chance, dass etwa bei der Stabilität des Euro alle mit einer Sprache sprechen. Ich unterstütze das Ansinnen von Finanzminister Schäuble, die Klinge des Stabilitätspaktes zu schärfen. Aber auf eines muss eben auch hingewiesen werden: Wir haben bereist einen Stabilitätspakt. Wäre dieser eingehalten worden, hätten wir viele der heutigen Schwierigkeiten nicht. Deutschland und Frankreich haben die Kriterien 2004 aufgeweicht. Dann wollten kleine Mitgliedstaaten diese Gleichbehandlung im Unrecht für sich in Anspruch nehmen. Das war der Anfang vom Ende.
Sie haben sich auch für eine Einführung der Schuldenbremse nach deutschem Vorbild für EU-Staaten ausgesprochen…
Ja, aber auch hier gilt: Wir haben streng genommen schon im Stabilitätspakt eine Schuldenbremse durch die Maastricht-Kriterien. Die wirkt auch, wenn man sie denn ernst nehmen würde. Das ist das Problem: Wir müssen uns selber ernst nehmen, sonst dürfen wir auch nicht erwarten, dass uns die Märkte ernst nehmen. Deshalb bin ich zwar auch für eine Verschärfung. Aber bevor wir das machen, ist die erste Pflicht aller politischen Akteure, die eingegangenen Verpflichtungen aus dem Stabilitätspakt auch einzuhalten. Das muss der erste Schritt sein.