Berlin: (hib/MIK) "Die in der Fleischwirtschaft bekannt gewordenen Skandale können sich grundsätzlich in allen Bereichen der Lebensmittelbranche wiederholen." Dies erklärt der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure (BVLK) in seiner schriftlichen Stellungnahme zur Anhörung des Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zum Thema "Ursachen der aufgetretenen Missstände in der Fleischbranche, ihre Auswirkungen auf die Verbraucher und die Landwirtschaft sowie notwendige Konsequenzen". Die Anhörung hat heute um 13 Uhr begonnen. Auch für den Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) sind die Skandale vom Oktober/November vergangenen Jahres "lediglich die Spitze des Eisbergs". Lücken und Schwachstellen der staatlichen, aber auch privaten Lebensmittelüberwachung würden einhergehen mit einem Trend zur "Anonymisierung" der Produzenten-Verbraucherbeziehung, heißt es in der Stellungnahme. Wenngleich es natürlich in keinem Lebensbereich eine 100-prozentige Sicherheit geben könne, müsse Ziel eines koordinierten Handelns aller staatlichen Ebenen sein, gerade bei Lebensmitteln den Verbraucherschutz gemeinsam mit den Wirtschaftsbeteiligten zu sichern.
Dazu hat Bundesernährungsminister Horst Seehofer (CDU/CSU) einen Maßnahmenkatalog vorgelegt, der vor allem eine Verbesserung der amtlichen Kontrollen vorsieht. Dieses so genannte Zehn-Punkte-Programm wird von den meisten Sachverständigen zwar begrüßt, trotzdem geht er zum Beispiel dem vzbv und Greenpeace nicht weit genug. "Es ist nicht anzunehmen, dass mit diesem Plan wesentliche Verbesserungen erreicht werden könnten", schreibt Greenpeace. So treffe der Appell an die Eigenkontrolle der Fleischwirtschaft nicht den Kern des Problems. Der Skandal sei ein Symptom für falsche Landwirtschaft und fehlende Kontrollen. Für den Verband der Fleischwirtschaft (VDF) handelt es sich um kriminelle Aktivitäten einzelner Unternehmen. Gegen solche Firmen müsse hart durchgegriffen werden, bis hin zum Verbot, mit Fleisch zu handeln. Diese Meinung wird unterstützt vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE), der erwartet, dass "derartige Machenschaften zukünftig nicht mehr in einem quasi kontrollfreien Raum stattfinden können". Die Sicherheit bei Lebensmitteln dürfe nicht nach dem Preis differenzieren. Die meisten Sachverständigen sind für ein neues Verbraucherinformationsgesetz. Für den HDE müsse darin allerdings gewährleistet sein, dass die "durch die Wirtschaft vorgebrachten Kriterien für eine sachgerechte Umsetzung der Verbraucherinformationen berücksichtigt würden" und keine "unverhältnismäßige bürokratische Belastung der meist mittelständischen Unternehmen" herauskommen solle.
Das nordrhein-westfälische Ministerium für Umwelt- und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz weist in seiner schriftlichen Stellungnahme darauf hin, dass das Zehn-Punkte-Sofortprogramm in Nordrhein-Westfalen bereits vollständig umgesetzt sei. Auch für den Experten der Landesregierung waren bei dem Skandal nur "wenige Kriminelle" aktiv. Der Einzelsachverständige Professor Eberhard Karge kritisiert, dass im Zehn-Punkte-Programm der Bundesregierung eine komplexe Ursachenanalyse zur Klärung der Tatbestände fehle. Zudem sei das Sofortprogramm ausschließlich auf die Fleischbranche ausgerichtet. Doch würden Risiken auch in anderen Lebensmittelbereichen bestehen. Deshalb ist nach seiner Meinung der Zehn-Punkte-Plan nur als Beginn einer Maßnahmenfolge zu verstehen. Ein generelles und tiefenwirksames Konzept zur Verhütung beziehungsweise zur nachweisbaren Reduzierung entsprechender Vorkommnisse müsse daran angeschlossen werden. Schließlich wies er darauf hin, dass viele Vorhaben des Zehn-Punkte-Plans schon durch EU-Verordnungen abgedeckt seien.
Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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