Berlin: (hib/VOM) Der in der Presse erhobene Vorwurf, Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) seien an operativen Kriegshandlungen im Irak beteiligt gewesen, entbehrt nach Überzeugung des Parlamentarischen Kontrollgremiums jeglicher Grundlage. Dies geht aus einer als Unterrichtung ( 16/800) vorgelegten Bewertung des Gremiums zum Bericht der Bundesregierung "zu Vorgängen im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg und der Bekämpfung des internationalen Terrorismus" hervor. Die anders lautende Medienberichterstattung, etwa im Hinblick auf eine Beteiligung von BND-Mitarbeitern an der Bombardierung eines Restaurants im Stadtteil Mansour in Bagdad am 7. April 2003, sei widerlegt, heißt es. Nach Einschätzung des Kontrollgremiums hat die öffentliche Diskussion nicht dazu beigetragen, die aktuelle Sicherheitslage für die Bevölkerung in Deutschland und für die deutschen Soldaten in Auslandseinsätzen zu verbessern. Vielmehr sei die Arbeit der Nachrichtendienste beeinträchtigt worden.
Weder die Bundesregierung noch der BND, das Bundeskriminalamt oder das Bundesamt für Verfassungsschutz hätten die Festnahme des deutsch-libanesischen Staatsangehörigen Kahled El Masri durch US-Stellen sowie die "mutmaßliche Freiheitsberaubung" zum Nachteil El Masris unterstützt. Die untersuchten Fälle der Befragungen von im Ausland inhaftieren Terrorverdächtigen durch Mitarbeiter der Nachrichtendienste sind nach Überzeugung des Parlamentarischen Kontrollgremiums "zulässig und geboten" gewesen, um über Gefährdungen durch den internationalen Terrorismus aufzuklären.
Wie es in der Bewertung weiter heißt, sind bei den Untersuchungen auch einige Aspekte zutage getreten, die kritisch zu bewerten seien. Vor allem hätte die Regierung das Gremium in mehreren Fällen "frühzeitig und umfassend" unterrichten müssen. Die Parlamentarier hätten jedoch festgestellt, dass die Regierung die Kritikpunkte angenommen und die erforderlichen Konsequenzen bereits gezogen habe. Das Kontrollgremium hat nach eigener Darstellung die in der Öffentlichkeit erhobenen Vorwürfe durch Anhörungen von über 20 Mitarbeitern der Nachrichtendienste und einer Vielzahl von Vertretern der ehemaligen und der jetzigen Bundesregierung sowie durch umfangreiche Akteneinsicht untersucht. Die Regierung habe dem Gremium ihrerseits am 20. Februar einen Bericht vorgelegt, der auch geheimhaltungsbedürftige operative Einzelheiten enthalte. Eine unter Sicherheitsaspekten bereinigte Fassung des Berichts werde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, heißt es.
Die Vertreter der Oppositionsfraktionen haben abweichende Bewertungen abgegeben, die in der Vorlage des Kontrollgremiums ebenfalls enthalten sind. Max Stadler (FDP) stellt fest, die Haltung der Regierung und der Koalition sei zu Beginn der öffentlichen Debatte über "Grauzonen" von Ängstlichkeit und Defensive geprägt gewesen. Vor allem der von der FDP initiierte Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses habe bewirkt, dass die Informationspolitik der Regierung im Kontrollgremium "offensiver" geworden sei. Inwieweit dies der Öffentlichkeit zugute kommt, hänge davon ab, in welchem Umfang die Regierung ihren Schlussbericht freigibt.
Für Wolfgang Neskovic (Die Linke) führt die "Strategie" der Regierung, einen Untersuchungsausschuss dadurch zu vermeiden, dass das Kontrollgremium den Regierungsbericht bewertet, zu einem "glatten Rechtsbruch durch das Gremium" und zur Täuschung der Öffentlichkeit. Nach der Gesetzeslage sei es dem Kontrollgremium nicht gestattet, die gewünschte Bewertung öffentlich vorzunehmen. Außerdem fehlten ihm die Aufklärungsinstrumente, um den Sachverhalt verlässlich festzustellen. Über diese würde allein ein Untersuchungsausschuss verfügen.
Für Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen) gibt es noch offene Fragen. Er folgt nicht der Auffassung der Mehrheit des Gremiums, dass keine weiteren Konsequenzen gezogen werden müssten. Vielmehr müsste möglich sein, verdächtige Flugbewegungen über deutschem Territorium sowie von Flugzeugen, die im Verdacht stehen, dass sie zu rechtsstaatswidrigen Transporten genutzt werden, zu überprüfen. Für Befragungen im Ausland müssten verbindliche Richtlinien erlassen werden, die rechtsstaatswidrige Praktiken und das "Ernten der Früchte von Folter" ausschließen. Schließlich müsse das Parlamentarische Kontrollgremium transparenter und arbeitsfähiger werden.
Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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