Regierung: Kanzleramt wurde nicht über
Gasprom-Bürgschaft informiert
Ausschuss für Wirtschaft und
Technologie/Ausschuss für Wirtschaft und Technologie -
05.04.2006
Berlin: (hib/VOM) Das
Bundeswirtschaftsministerium hat das Bundeskanzleramt nie über
die am 28. Oktober vergangenen Jahres vom damaligen Minister
Wolfgang Clement (SPD) genehmigte Bürgschaft der
Bundesregierung für einen Kredit an den russischen
Energiekonzern Gasprom informiert. Dies unterstrich die
Bundesregierung am Mittwochvormittag im Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie, der einen Bericht über die
Bürgschaft für Gasprom erbeten hatte. Die Regierung habe
sich bereit erklärt, eine Garantie für einen ungebundenen
Finanzkredit eines aus der Kreditanstalt für Wiederaufbau
(KfW) und der Deutschen Bank bestehenden Konsortiums in Höhe
von 1 Milliarde Euro für den Bau des Festlandabschnitts der
geplanten Ostsee-Gaspipeline von den sibirischen Lagerstätten
bis Sankt Petersburg zu übernehmen. Da ein Selbstbehalt der
Banken in Höhe von zehn Prozent vereinbart worden sei, belaufe
sich die Höchsthaftung des Bundes auf 900 Millionen Euro. Das
gesamte Investitionsvolumen des Pipelineprojekts betrage bis zu 5,7
Milliarden Euro, hieß es von Regierungsseite. Weiter teilte
die Regierung mit, dass es zu einer Kreditvergabe bislang nicht
gekommen sei. Das deutsche Bankenkonsortium befinde sich hier im
internationalen Wettbewerb um die Kreditvergabe. Angesichts der
Bonität von Gasprom sei das Ausfallrisiko gering
einzuschätzen. Als Auflagen für die Übernahme der
Bürgschaft habe die Bundesregierung verlangt, dass für
die künftige Ostsee-Pipeline ausreichende Gasmengen zur
Verfügung gestellt und die Umweltstandards der Weltbank
eingehalten werden. Das Motiv für die
Bürgschaftsübernahme war nach Regierungsangaben, die
Rohstoffversorgung Deutschlands durch langfristige
Bezugsverträge zu sichern, was im "besonderen Interesse" der
Bundesrepublik liege. Der Bau der Pipeline sei auch im Interesse
der Europäischen Union, und die Pipeline selbst sei Teil der
transeuropäischen Netze. Der Beschluss kam laut Regierung auf
der Basis einer Empfehlung eines interministeriellen Ausschusses
(IMA) zustande, an dem neben dem Bundeswirtschaftsministerium auch
das Bundesfinanzministerium, das Bundesentwicklungshilfeministerium
und das Auswärtige Amt beteiligt gewesen seien, nicht jedoch
das Kanzleramt. Der IMA habe eine positive Grundsatzentscheidung am
24. Oktober getroffen. Eine politische Einflussnahme oder gar eine
Beteiligung des Kanzleramtes habe es nicht gegeben. Die
Deckungsübernahme bedeute nicht, dass es tatsächlich zu
einem Kreditvertrag kommt, weil dies für Gasprom nur eine von
mehreren Finanzierungsoptionen wäre, so die Regierung. Von der
FDP auf jüngste Berichte angesprochen, dass Gasprom gar kein
Interesse mehr an einem solchen Kredit habe, erklärte der
Regierungsvertreter, dies sei ihm nicht bekannt. Deutschlands
Interesse sei es, dass die Pipeline gebaut wird und dass
ausreichende Gaslieferungen aus Russland gewährleistet sind.
Weitere Fragen der Oppositionsfraktionen bezogen sich auf die Rolle
des früheren Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium,
Caio Koch-Weser, der inzwischen für die Deutsche Bank
tätig ist. Wie die Regierung mitteilte, war Koch-Weser nur
einmal mit der Sache befasst, als er nach der Grundsatzentscheidung
des IMA die Leitungsvorlage für den Minister in seinem Hause
abgezeichnet habe. Im Übrigen sei es ein Wunsch der Banken
gewesen, diese Sache "nicht zu politisieren". Der
Ministerentscheidung seien eine grundsätzliche
Präsentation der beiden Banken zu diesem Projekt am 20.
September sowie ein förmlicher Antrag auf eine Bundesgarantie
für einen ungebundenen Finanzkredit über 1 Milliarde Euro
am 13. Oktober vorausgegangen. Die FDP fand es merkwürdig,
dass die Bürgschaft noch unmittelbar vor der Übergabe der
Regierungsgeschäfte an die neue Regierung genehmigt worden
sei. Normal wäre es gewesen, so die Liberalen, die
Entscheidung der neuen Regierung zu überlassen. Im
Zusammenhang mit dem Aufsichtsratsvorsitz von Altkanzler Gerhard
Schröder (SPD) in der nordeuropäischen
Gasleitungsgesellschaft (NEGP) sei eine "schwierige Sachlage"
entstanden. Hier stelle sich die Frage nach der politischen
Verflechtung. Die Frage der Bündnisgrünen, ob hier eine
positive Grundsatzentscheidung "auf Verdacht" gefällt worden
sei, verneinte die Regierung.
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