Zugang zu Stasi-Akten künftig nicht auf Forschung und
Presse begrenzen
Sportausschuss/Sportausschuss - 06.04.2006
Berlin: (hib/WOL) Der Zugang zu
Stasi-Akten sollte auch nach dem Jahresende 2006 nicht auf
Forschung und Presse begrenzt sein. Dafür hat sich
Hanna-Renate Laurien (CDU), ehemalige Berliner Schulsenatorin und
derzeitiges Mitglied der fünfköpfigen unabhängigen
Stasi-Kommission des Deutschen Sportbundes am Mittwochnachmittag im
Sportausschuss ausgesprochen. Laurien und weitere Mitglieder der
Kommission sowie Marianne Birthler, Leiterin der
Stasi-Unterlagenbehörde, sowie Vertreter des Deutschen
Sportbundes und des Nationalen Olympischen Komitees sollen Klarheit
in das Verfahren zur Überprüfung von Stasi-Belastungen im
deutschen Olympiateam schaffen. Laurien hatte ihr vehementes
Eintreten für einen Zugang zu Stasi-Unterlagen auch nach dem
künftigen Ausgabe- und Verwendungsverbot mit den Erfahrungen
der Kommissionsarbeit begründet. Sie sagte, Presseberichte und
Recherchen allein nach Aktenlage könnten durchaus dazu
führen, mit eigentlich minderen Vorwürfen die Existenz
von Menschen zu gefährden. Die Kommission habe in allen
Fällen mit den Beschuldigten und auch mit den Opfern
gesprochen. Nur in etwa einem Viertel der 51 Fälle seien
ausspionierte Opfer wissentlich geschädigt worden oder es sei
ein Schaden billigend in Kauf genommen und eine finanzielle
Belohnung in Empfang genommen worden. Keiner, so Laurien, habe so
viele bespitzelt und geschadet und so viel an der Bespitzelung
verdient wie der Eislauftrainer und ehemalige Inoffizielle
Mitarbeiter "Torsten", Ingo Steuer, der bei den Olympischen
Winterspielen in Turin vom deutschen Team ausgeschlossen worden
sei. Wenn in seiner Stasi-Akte neben 48 mündlichen und acht
telefonischen Berichten nur zwei handschriftliche Berichte
aufgeführt seien, liege das daran, dass ein ganzer Band der
"Torsten"-Akten fehle. In den Akten seiner Opfer dagegen seien 31
ausführliche handschriftliche Berichte aufgeführt.
Birthler erklärte die Gründe, warum der heutige
Eiskunstlauftrainer, dessen Tätigkeit für das Ministerium
für Staatssicherheit der DDR bereits seit 1992 in den Medien
bekannt war, erst jetzt zu einem "Fall" wurde. Danach gebe es
grundsätzlich keine rechtlichen Grundlagen der
Olympia-Überprüfung aktiver Sportler nach dem
Stasi-Unterlagengesetz. Eine Überprüfung sei dagegen
zulässig, wenn Personen eine leitende Funktion in Bundes- und
Landesverbänden ausüben. Dabei müsse der Verband, in
dem die leitende Funktion ausgeübt wird, eine
Überprüfung beantragen, die nur mit Zustimmung der
betroffenen Personen möglich sei. Sportvereine seien selbst
für die Überprüfung eines Stasi-Verdachts gegen
Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer oder leitende
Angestellte zuständig. Hier sei es lediglich notwendig, die
betroffene Person über das Verfahren in Kenntnis zu setzen.
Der Fall "Torsten" sei erst überprüfbar geworden, als der
ehemalige Sportler zum leitenden Trainer geworden sei. Im Hinblick
auf den Wunsch, die Stasi-Unterlagen weiterhin zu nutzen, machte
Birthler deutlich, dass die rechtlichen Möglichkeiten der
Überprüfung am 28. Dezember dieses Jahres entfallen. Die
zeitliche Beschränkung gelte auch in Routinefällen, bei
denen ihre Behörde eine Mitteilung an zuständige Stellen
machen müsse, wenn bei der Erfüllung anderer Aufgaben
feststellt wird, dass eine Person in einer leitenden Funktion
hauptamtlich oder inoffiziell für die DDR-Staatssicherheit
tätig war. Eine breite Zustimmung im Ausschuss für dieses
Instrument, um den deutschen Sport international auch künftig
von Stasi-Verdächtigungen frei zu halten, reiche dabei
keinesfalls, bremste Birthler die Erwartungen. Das könne nur
durch eine erneute Novellierung des Stasi-Unterlagengesetzes
erreicht werden.
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Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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