Berlin: (hib/WOL) Gegen Zwangsheiraten
wirksam vorzugehen ist das Ziel eines von der FDP vorgelegten
Forderungskatalogs in 17 Punkten. In ihrem Antrag (
16/1156) verlangen sie von der Bundesregierung
einen Gesetzentwurf vorzulegen, in dem die Antragsfrist von bisher
einem Jahr zur Aufhebung einer Ehe abgeschafft wird. Diese sei
deutlich zu verlängern, weil die Zwangslage nicht bereits mit
der Eheschließung ende. Gesetzlich festzuschreiben sei
ebenso, dass von einer Festsetzung des Nachzugsalters von Ehegatten
auf 21 Jahre absehen wird. Die Einführung einer Altersgrenze
wird nach Ansicht der Antragsteller nicht dazu führen, die
Zwangsheirat zu unterbinden. Eine Altersgrenze auch bei
selbstverantwortlichen geschlossenen Ehen würde damit
ebenfalls zu einer Wartezeit führen. Im Rahmen
strafrechtlicher Verfahren soll das Angebot für Opfer- und
Zeugenbetreuung im Bereich der Zwangsheiraten ausgebaut und die
Aufklärung intensiviert werden. Gemeinsam mit den Ländern
soll das Vorgehen von Strafverfolgungsbehörden,
Ausländerbehörden und Fachberatungsstellen koordiniert
werden mit dem Ziel, durch eine gezielte Betreuung des Opfers die
Aussagebereitschaft zu erhöhen. Zudem fordert die FDP ein
schlüssiges Integrationskonzept für die hier seit Jahren
lebenden Menschen mit Migrationshintergrund sowie eine klare
Definition von Zwangsehe und arrangierter Ehe unter Einbeziehung
objektiver Umstände. Nach den Vorstellungen der Liberalen
sollen die Opfer gestärkt und geschützt und die
Gleichstellung der Frau durch Integration und Bildung
gefördert werden. Die Abgeordneten beziehen sich bei ihrer
Forderung auf das Recht auf Eheschließung und auf freie Wahl
des Ehegatten als Grund und Menschenrecht. Sie verweisen darauf,
dass hierzulande mit dem 37. Strafrechtsänderungsgesetz vom
Februar 2005 eine Ergänzung erfolgt sei, der zufolge die
erzwungene Verheiratung einen "besonders schweren Fall der
Nötigung darstellt". Der Strafrahmen dafür liegt bei
einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
Eine Zwangsheirat liegt dann vor, wenn mindestens einer der
zukünftigen Ehepartner durch massiven Druck von Eltern,
Familien, Verlobten oder Schwiegereltern zur Ehe gezwungen wird.
Nach Darstellung der Liberalen sind meistens Mädchen und
Frauen die Opfer. Zu den Druckmitteln zählten psychische und
physische Gewalt, Nötigung, Einschränkung der
Lebensfreiheit, des Bewegungsspielraums sowie Einsperren oder
Entführen. Als stärkste Form der Disziplinierung
würden so genannte Ehrenmorde begangen. Auch setze sich der im
Vorfeld ausgeübte Druck nach der Eheschließung fort -
nicht selten in der Form von Vergewaltigungen. Durch die Zwangsehe
entstehe in der Regel eine absolute Abhängigkeit vom Ehemann.
Über das Ausmaß von Zwangsheiraten gibt es nach Angaben
der Antragsteller deutschlandweit kaum gesicherte Daten. So sei der
Berliner Senat anlässlich einer Befragung von rund 200
Einrichtungen, darunter Jugendämter, Schulen und Projekte zu
Migration, Antigewalt und Jugend allein für das Jahr 2004 auf
etwa 300 Fälle von Zwangsverheiratung gestoßen und knapp
30 Fälle von Zwangsverlobungen. Nach Angaben der Berliner
Kriseneinrichtung Papatya seien in den Jahren 2002 bis 2004
zwischen 40 und 52 Prozent der dort Schutz suchenden Frauen und
Mädchen von Zwangsheirat bedroht oder betroffen gewesen,
darunter bis zu 60 Prozent Minderjährige.