Berlin: (hib/MPI) Bündnis 90/Die Grünen wollen das nationalsozialistische "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" für nichtig erklären lassen. In einem Antrag ( 16/1171) fordern sie die Bundesregierung zu einem Vorschlag auf, der diesem Anliegen der Opfer gerecht wird. Die Fraktion verweist auf einen Appell des Bundes der "Euthanasie"-Geschädigten und Zwangssterilisierten, das erste Rassengesetz des NS-Staates vom 14. Juli 1933 nach mehr als 70 Jahren zu annullieren. Der Appell habe breite gesellschaftliche Unterstützung - etwa vom Nationalen Ethikrat - erfahren, schreiben die Abgeordneten. Nach ihrer Auffassung ist die Gesellschaft "in der Pflicht, die Opfer von Zwangssterilisierung und ?Euthanasie' vollständig zu rehabilitieren, die Überlebenden nach Kräften zu unterstützen und die Erinnerung an das Unrecht wach zu halten".
Auf Grundlage des "Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" wurden nach neueren Forschungen bis Mai 1945 mindestens 400.000 Menschen zwangssterilisiert; an den Folgen des Eingriffs starben mehrere tausend Menschen, mehrheitlich Frauen. "Das Erbgesundheitsgesetz bildete den Auftakt für die Verfolgung behinderter Menschen, die im Massenmord der so genannten Euthanasie gipfelte", erinnern die Grünen. Sie verweisen darauf, dass die formelle Gültigkeit des Gesetzes 1974 aufgehoben wurde. 1988 habe der Bundestag das Gesetz zu nationalsozialistischem Unrecht erklärt. Im August 1998 seien die Sterilisationsbeschlüsse aufgehoben worden. Die Grünen-Fraktion unterstreicht, dass dies wichtige Fortschritte gewesen seien. Angesichts des "ungeheuren Unrechtsgehaltes des Erbgesundheitsgesetzes" dürfe der Bundestag "aber nicht den geringsten Zweifel offen lassen, dass dieses Gesetz von Anfang an als nichtig angesehen werden muss", heißt es in dem Antrag.
Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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