Berlin: (hib/VOM) Der Präsident des Bundeskartellamtes, Ulf Böge, hat am Mittwochvormittag im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie darauf hingewiesen, dass seine Behörde nur über 130 Personalstellen im höheren Dienst verfügt, während die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde im Energie- und Verkehrssektor mit 180 Stellen im höheren Dienst ausgestattet sei. Für Böge ist dies "kein angemessenes Verhältnis". Der Präsident nannte die Zahlen im Zusammenhang mit dem Missbrauchsverfahren des Kartellamts gegen den Energiekonzern Eon Ruhrgas. Eine zentrale Rolle spielen dabei die langfristigen Verträge über die Gasbelieferung von Stadtwerken und Regionalversorgern mit den Ferngasunternehmen, die Laufzeiten von 20 bis 25 Jahre hätten. Hinzu komme, dass die Stadtwerke eine hundertprozentige Bezugsverpflichtung eingehen müssten. Dies habe den Wettbewerb auf dem Gassektor erheblich beeinträchtigt, sagte Böge. Für das Kartellamt gehe es darum, diese langfristigen Bindungen aufzubrechen. Die Verhandlungen mit der Gaswirtschaft seien derzeit in Gange, doch beurteilte Böge die Kooperation der Unternehmen skeptisch. Die Unternehmen spielten auf Zeit, um die eigenen Gewinne solange wie möglich hoch zu halten. Es handele sich dabei um ein Mammutverfahren. Eon Ruhrgas habe allein im Eilverfahren keine Kosten für Anwälte und Gutachter gescheut. Das Kartellamt habe dies dagegen mit nur sieben Mitarbeitern im höheren Dienst bewältigen müssen. Wie Böge weiter mitteilte, gibt es einen Anfangsverdacht auf Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Hinblick darauf, dass die Kosten für die Emissionszertifikate von den Stromanbietern in die Strompreise einkalkuliert würden. Böge sagte, er wäre froh, wenn er der "Phalanx der Energiewirtschaft und ihrer Wissenschaftler" mehr Personal gegenüberstellen könnte. Bei diesen Verfahren gehe es um gewaltige Summen, jährlich gebe es im Strom- und Gassektor neue Rekordgewinne und gleichzeitig Rekordpreise für Unternehmen und Verbraucher. Laut Böge findet hier eine "gewaltige Umverteilung" statt.
Unzufrieden zeigte er sich mit der Liberalisierung der Energiemärkte, die schon acht Jahre andauere. Die Politik müsse hier umsteuern, nachdem es in der Frage des diskriminierungsfreien Netzzugangs für alle Anbieter nicht zu einer Einigung unter den Beteiligten gekommen sei. Die Durchleitungsgebühren für die Monopolnetze seien zu hoch. Die Bindung des Gaspreises an den Ölpreis nannte Böge volkswirtschaftlich und umweltpolitisch schädlich, allerdings sei dort mit Mitteln des Kartellrechts nichts zu machen. Ein Engagement des russischen Energielieferanten Gazprom auf dem deutschen Markt würde er nach eigener Aussage nicht für schädlich halten, weil die Versorgungssituation dadurch nicht gefährdet würde. Böge sprach sich im Übrigen dafür aus, bei der Fusionskontrolle nicht auf Verhaltensauflagen zu setzen, sondern strukturelle Auflagen zu bevorzugen. Verhaltensauflagen seien mit einem enormen Verwaltungsaufwand verbunden, weil sie ständig kontrolliert werden müssten. Die europäische Fusionskontrolle trage die Handschrift des deutschen Kartellgesetzes. Bedarf zur Änderung dieses Gesetzes sieht Böge nach eigenen Angaben zurzeit nicht.
Die Ministererlaubnis, also die Möglichkeit des Bundeswirtschaftsministers, sich aus übergeordneten Gesichtspunkten über eine Entscheidung des Bundeskartellamts hinwegzusetzen, befürwortete er ausdrücklich. In den letzten 33 Jahren habe es 19 Anträge auf Ministererlaubnis gegeben, von denen sieben positiv beschieden worden seien, davon fünf mit Auflagen. Ein Verfahren sei noch anhängig. Die Ministererlaubnis sei somit eine Ausnahme geblieben. Böge selbst sieht in diesem Instrument einen Garanten für die Unabhängigkeit seiner Behörde. Das Kartellamt könne nur eine kartellrechtliche Bewertung vornehmen. Es könne aber, etwa auf dem Gebiet der äußeren Sicherheit, Gründe geben, sich über diese Bewertung hinwegzusetzen.
Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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