Berlin: (hib/HAU) Unterschiedlich bewerten
Experten den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung einer
EU-Richtlinie zu Übernahmeangeboten (
16/1003). Das wurde anlässlich einer
öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss am
Mittwochnachmittag deutlich. Grundlage des Entwurfs ist die
EU-Übernahmerichtlinie, deren Ziel es ist, durch
Mindestvorgaben für Angebote zur Übernahme von
Unternehmen in der gesamten EU für Klarheit und Transparenz zu
sorgen. Das vorhandene deutsche Übernahmerecht soll dazu nur
insofern geändert werden, als die Richtlinie dies erfordert.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie befürwortet den
Entwurf. In vielen Punkten komme er den Interessen der deutschen
Wirtschaft entgegen. Allerdings schlage man eine Herabsetzung der
Schwelle für ein so genanntes Squeeze-out vor. Dadurch solle
für einen Großaktionär bereits bei einer
Kapitalmehrheit von 90 Prozent, und nicht wie bisher von 95
Prozent, die Möglichkeit bestehen, Aktionäre gegen eine
angemessene Abfindung aus dem Unternehmen herauszukaufen. Dieser
Forderung schloss sich auch die Allianz AG an. Es gebe wichtige
Argumente für eine Senkung dieser Schwelle. Da es bei einem
Streubesitz von unter zehn Prozent eine vergleichsweise schwache
Liquidität gebe, bestehe die Gefahr starker Schwankungen und
einer nicht adäquaten Preisbildung, die den Aktienkurs
für Privataktionäre schwer nachvollziehbar machten.
Außerdem würde der Wegfall jährlich stattfindender
Hauptversammlungen Kosten und Aufwand reduzieren, die in keinem
Verhältnis zur Größe des Streubesitzes
stünden. Der Zentrale Kreditausschuss der deutschen Banken
begrüßte die "Eins zu eins"-Umsetzung der EU-Vorgaben.
Der Entwurf füge das bestehende Recht in den EU-Rahmen ein.
Allerdings blieben Interpretationsspielräume offen. So
müsse man sich fragen, ob die beabsichtigte Erweiterung der
Ermittlungsbefugnisse der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht nicht doch unnötigerweise
über das geforderte Maß hinausgehe. Die Deutsche
Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz findet in dem Entwurf
Positives wie Negatives. So begrüße man die vorgesehene
Offenlegungspflicht für kapitalmarktorientierte Emittenten
stimmberechtigter Wertpapiere im Konzernlagebericht. Abgelehnt wird
hingegen der Verzicht auf einen Hauptversammlungsbeschluss als
Basis für ein übernahmerechtliches Squeeze-out.
Minderheitsaktionäre würden dadurch ihre
Informationsrechte verlieren. Auch Rechtsanwalt Thomas Heidel sah
die übernahmerechtlichen Squeeze-out-Regelungen sehr kritisch.
Sie seien mit dem im Grundgesetz garantierten Schutz des
Aktieneigentums nicht vereinbar, da sie in nicht zu
rechtfertigender Weise in das Eigentum der von einem Squeeze-out
betroffenen Minderheitsaktionäre eingriffen. Der Deutsche
Gewerkschaftsbund zeigte sich "nicht glücklich" über die
EU-Richtlinie. Er begrüßte jedoch ausdrücklich,
dass die Bundesregierung nur die verlangten Ergänzungen und
Anpassungen vorgenommen habe, ansonsten aber weiter am deutschen
Übernahmegesetz festhalten wolle. Dem Gesetz fehle, so
Professor Heinz Bontrup aus Gelsenkirchen, ein ausgewogenes
Verhältnis zwischen den Interessen des Kapitalmarktes und der
Arbeitnehmerseite. Auf deren Belange werde keinerlei Rücksicht
genommen, kritisierte er und prognostizierte ein weiteres
Voranschreiten der Konzentrationswelle von Unternehmen mit den aus
seiner Sicht zu erwartenden nachhaltigen negativen Folgen für
die Volkswirtschaft.