Berlin: (hib/MPI) Der niederländische Gesundheitsminister Hans Hoogervorst hat Deutschland für eine grundlegende Reform des Gesundheitssystems Mut zugesprochen. Bei einem Arbeitsfrühstück des Gesundheitsausschusses stellte er am Mittwoch die Erfahrungen seines Landes mit dem Anfang des Jahres in Kraft getretenen Krankenversicherungsgesetz vor und bilanzierte augenzwinkernd: "Die Tatsache, dass ich noch lebend vor Ihnen sitze, beweist doch, dass die Umsetzung ganz gut verlaufen ist." Im Vorfeld der Reform habe es massive Befürchtungen zu dem Vorhaben der Mitte-Rechts-Regierung gegeben. Diese hätten sich jedoch nicht bewahrheitet. Das neue niederländische System ist eine Mischung aus Bürgerversicherung und Prämienmodell und gilt bei Gesundheitsexperten als eine Möglichkeit, die Gesundheitskonzepte von Union und SPD zusammenzuführen. Hoogervorst gehört der niederländischen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) an und ist seit dem Jahr 2003 Gesundheitsminister. Er gilt als Architekt der Gesundheitsreform.
Hoogervorst erläuterte, in seinem Land seien gesetzliche und private Kassen zu einem Versicherungssystem verschmolzen worden. Alle Kassen seien nunmehr privat, müssten sich aber an staatliche Rahmenbedingungen halten. Dazu gehöre eine Annahmepflicht, ungeachtet von Alter, Geschlecht oder Gesundheitszustand des Versicherten. Für alle Bürger gelte zudem eine Krankenversicherungspflicht. Jeder Niederländer zahle eine Prämie von rund 1050 Euro pro Jahr. Dieser Betrag decke etwa die Hälfte der Kosten ab, so Hoogervorst. Die andere Hälfte werde von den Arbeitgebern einkommensabhängig finanziert. Die Leistungen des niederländischen Gesundheitssystems beschränkten sich allerdings auf das Notwendigste wie Arztkosten, Krankenhausbehandlung und bestimmte Medikamente. Zahnersatz und Physiotherapie gehörten schon vor der Reform nicht zum Leistungskatalog. Hoogervorst unterstrich, dass das gestiegene Kostenbewusstsein der Bürger "ein großer Erfolg" der Reform sei. So hätten von den 16 Millionen Einwohnern vier Millionen die Kasse gewechselt. Weitere positive Effekte seien ein höherer Servicewille der Leistungserbringer im Gesundheitswesen sowie niedrigere Kosten.
Die Fraktionen von Union und SPD erkundigten sich bei dem Minister nach den Sozialtransfers. Hoogervorst sagte, "unterm Strich" sei das Gesundheitssystem jetzt sozialer. Rund 60 Prozent der Niederländer erhielten Zuschüsse, um ihre Beiträge bezahlen zu können. Die Transfers, die auch im alten System schon notwendig gewesen seien, seien nunmehr sichtbar. Die Fraktion Die Linke zeigte sich skeptisch. Die Entscheidung für die richtige Kasse sei für die Bürger schwierig, da für sie kaum abzusehen sei, welche Kasse etwa im Falle einer Erkrankung die beste Leistung erbringe. Die Grünen fragten, wie die Arbeitgeber in den Niederlanden überzeugt worden wären, einen dynamischen Beitragssatz zum Gesundheitssystem zu akzeptieren. Der Minister erklärte, den Arbeitgebern sei klar, dass sie, wenn sie sich nicht direkt an den Kosten beteiligten, diese indirekt doch zu tragen hätten. Da sei das jetzige System überschaubarer. Aus Sicht der FDP stellt die Reformfreudigkeit der Niederländer im Gesundheitswesen ein Vorbild für Deutschland dar.
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