Berlin: (hib/SAS) "Die Ursachen für die lange Verfahrensdauer von großen Infrastrukturprojekten hierzulande liegen nicht beim Recht, sondern bei politischer Unentschlossenheit und Wankelmütigkeit und den Leistungsdefiziten der Verwaltung", lautet das Fazit von Professor Klaus-Peter Dolde. Der Rechtsanwalt ist einer von elf Sachverständigen, die sich am Mittwochvormittag in einer öffentlichen Anhörung des Verkehrsausschusses zu zwei Gesetzesvorhaben von Bundesregierung und Länderkammer zur Beschleunigung von Verkehrsprojekten geäußert haben. Beim Vorhaben der Regierungskoalition geht es darum, Planungsverfahren für den Bau oder die Änderung von Bundesfernstraßen, Betriebsanlagen der Eisenbahn, von Bundeswasserstraßen oder Flughäfen zu beschleunigen, Erörterungstermine in das Ermessen von Behörden zu stellen und Naturschutzvereine Bürgern rechtlich gleich zu stellen. Mit dem gleichen Ziel hat auch der Bundesrat einen Entwurf vorgelegt: er will die Dauer eines Verfahrens bis zur Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses oder der Plangenehmigung dadurch verkürzen, dass das Bundesverwaltungsgericht bei 86 ausgewählten bundesweiten Infrastrukturprojekten im Verkehrsbereich bereits in erster Instanz zuständig wird.
Nicht Gerichtsverfahren beanspruchen die weitaus meiste Zeit bis große Infrastrukturprojekt hierzulande realisiert werden, wie etwa das Beispiel Großflughafen Schönefeld zeige, sondern das Planungsverfahren selbst, stellte der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, Eckart Hien, klar. "Wir sträuben uns nicht", erklärte Hien zur geplanten Beschränkung des Instanzenzuges, nach der Klagen zu Großprojekten künftig nur noch beim Bundesverwaltungsgericht in erster und letzter Instanz anhängig wären. Er gab allerdings zu bedenken, dass der Beschleunigungseffekt gerade dadurch konterkariert werden könnte, dass sich die Klagen künftig beim Bundesverwaltungsgericht stauen: "Das Verfahren Flughafen Schönefeld bindet die Arbeitskraft des zuständigen Senats in einer Weise, die eine zeitlich parallele Aufarbeitung des gleichzeitig anhängigen Flughafens Leipzig nicht zulässt. Kämen hier noch die Flughafenprojekte "Frankfurt" und "München" zusammen, würde sich die Bearbeitungsdauer gegenüber dem jetzigen Durchschnitt dramatisch verlängern." Skeptisch zeigte sich Hien auch, ob es dem föderalen Zuständigkeitsverständnis entspreche, dass ein Bundesgericht erst- und letztinstanzlich und verbindlich über die Anwendung und Auslegung von Landesrecht entscheidet.
Dem widersprach Dieter Posch vom Hessischen Landtag: eine Unterscheidung zwischen bundesrechtlichen und landesrechtlichen Planfeststellungen von Straßen in der Frage der Zuständigkeit der Gerichte hielt er für nicht gerechtfertigt. Kritik machte sich auch am Raumordnungsverfahren fest. Dieses, so Posch, habe sich zu einem Verfahren entwickelt, wo im öffentlichen Diskurs Dinge erörtert würden, die weit über das geplante hinausgingen. Seiner Auffassung nach sind Raumordnungsverfahren verzichtbar.
Zu einer sehr unterschiedlichen Bewertung, welche Mittel einen gewünschten Beschleunigungseffekt auslösen würden, kamen auch die anderen Experten. Während für Professor Michael Ronellenfitsch von der Universität Tübingen und den Rechtsanwalt Bernhard Stüer die Gesetzentwürfe in die "richtige Richtung" weisen und nach ihren Worten mit einem Beschleunigungseffekt zu rechnen ist, gehen nach Rechtsanwalt Matthias Möller-Meinecke die Gesetzentwürfe in die "völlig falsche Richtung". Er kritisierte den Vorschlag des Bundesrates, Raumordnungsverfahren nur noch auf Antrag hin anzusetzen, da wichtige öffentliche Belange "hinten runterfallen" könnten. Nach seiner Auffassung sollen Erörterungsverfahren nicht fakultativ sein, sondern zu einem echten Diskurs genutzt werden. Möller-Meinecke warnte, dass sich der Bürger als Souverän sonst düpiert fühlen könnte, wenn seine Anliegen nicht gehört würden. Letztlich hätten sich auch Verwaltungsgerichte zunehmend dem Mediationsverfahren geöffnet, um ein strittiges Verfahren zu lösen, ohne dass sie fachlich hätten eingreifen müssen.
In dasselbe Horn stieß auch Peter Rottner vom Bund für Umwelt- und Naturschutz in Bayern (BUND). Raumordnungsverfahren sind aus seiner Sicht zu stärken, um Alternativen zu prüfen. Die Ursachen in langer Verfahrensdauer lägen bei konfliktintensiven Planungen und einer mangelnden Prüfung von Alternativen für gewisse Großprojekte. Auch widersprach er der Einschätzung, dass die Aufhebung des Erörterungstermins zu einer Beschleunigung im Verfahren führen würde. Gerade dieser sei zu nutzen, um Fehler im Planungsverfahren zu beseitigen. Er äußerte die Befürchtung, dass Umweltverbände künftig in ihrer Arbeit behindert würden. Rottner nannte ein "hochgradig ineffizientes" Planungsmanagement und eine mangelnde Prioritätensetzung als Ursachen für die Verschleppung vieler Projekte.
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