Berlin: (hib/SUK) Auf ein sehr geteiltes Echo stoßen die geplanten Änderungen im Bereich des Umweltrechts im Rahmen der Föderalismusreform. Während einige der Sachverständigen, unter ihnen Wolfgang Gerhards, Justziminister a.D., und der Präsident des Bayerischen Landtags, Alois Glück, die vorgesehene Abschaffung der Erforderlichkeitsklausel und die Einführung weit reichender Abweichungsbefugnisse der Länder begrüßen, bewerten Experten wie Wilfried Erbguth, Professor an der Universität Rostock, und Cornelia Ziem von der Deutschen Umwelthilfe das Vorhaben kritisch.
Wilfried Erbguth monierte, weder das gegenwärtige noch das geplante Umweltrecht seien geeignet, ein einheitliches Umweltgesetzbuch (UGB) zu schaffen. Unterschiedliche Kompetenznormen verhinderten sowohl derzeit als auch in Zukunft, eine "vereinheitlichende Kraft eines UGB" zu erreichen: "Die Probleme bleiben und werden sogar noch größer." Auch Cornelia Ziehm sieht das Ziel eines einheitlichen UGB nicht erreicht, "es wird sogar zum Teil konterkariert". Durch die Abweichungsrechte der Länder ab 2010 werde das UGB, das bis dahin geschaffen werden könnte, wieder "bedeutungslos". Auch Heinrich Freiherr von Lersner, Präsident des Umweltbundesamtes a.D., bemängelte, die Abweichungsrechte führten zu "erheblichen Schwierigkeiten", nicht nur im nationalen, sondern auch im europäischen und internationalen Recht. Zwar solle es spezielle Abweichungsrechte geben, aber sie sollten nicht generell in der Verfassung verankert sein. Der Wunsch danach sei zwar aus "föderaler Sicht verständlich", führe aber zu "Skurrilitäten". Beispielsweise gebe es stark unterschiedliche Interessen im Abfallrecht. Hans-Joachim Koch, Professor an der Universität Hamburg, äußerte "erhebliche Zweifel", ob die geplanten Änderungen künftig Blockaden vermeiden könnten. Der Koalitionsentwurf sehe fünf verschiedene Kompetenzmodelle im Umweltbereich vor, davon allein drei verschiedene Modelle im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung - dies sei kaum zu durchschauen. Auch wenn es grundsätzlich Aufgaben mit Regionalbezug gebe, sei nicht einzusehen, warum die Länder dafür eine regionale Gesetzgebung bräuchten. Selbst wenn niemand den Länder unterstelle, sie würden grundsätzlich von den Standards nach unten abweichen wollen, würden striktere Rahmenbedingungen doch verhindern, dass bestimmte Dinge "weicher gefahren" würden.
Gegen den Verdacht, durch die Abweichungsrechte der Länder würde es künftig zu einem "Wettlauf und Dumping nach unten" kommen, wandte sich Wolfgang Gerhards. Dies sei ein "unanständiger Verdacht". Zum einen beträfen die Abweichungsrechte keine zentralen Rechtsbereiche und der Bund könne in allen wesentlichen Bereichen einheitliche Regelungen erlassen, zum anderen seien für die meisten Bereiche europäische Standards festgeschrieben, denen auch die Länder unterlägen. Die Länder müssten sich bei allen Abweichungen vor ihren Bürgern rechtfertigen und die - auch finanzielle - Verantwortung tragen. Auch Alois Glück betonte, es sei für die Länder "nicht akzeptabel", pauschal entmündigt zu werden - zumal gerade der Bereich Umwelt für die Länder von immenser Bedeutung für die Lebensgestaltung sei. Grundsätzlich sei die "Fachkompetenz in den Landesbehörden nicht geringer als auf Bundesebene".
Die unterschiedlichen Kompetenzmodelle in der Gesetzgebung wurden auch von Edzard Schmidt-Jortzig, Professor an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz, und Johannes Dietlein, Professor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, kritisiert. Dies führe weiterhin zu Zuordnungs- und Abgrenzungsproblemen. Schmidt-Jortzig kritisierte diese Regelung als "für Laien nicht durchschaubar" und "nicht durchdacht". Grundsätzlich sei das Gesetzesvorhaben jedoch zu begrüßen. Letztlich sei "nicht entscheidend, wer die Dinge regelt, sondern wie er sie regelt", so Dietlein.
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